Gegen 9.00 Uhr am heutigen Morgen hat Kathrin (Ärztin) per Fernglas vom Ausguck aus ein Flüchtlingsboot entdeckt und entsprechend die Crew informiert. Wir sind anschließend mit der “Sea-Watch“ auf etwa 1,5 Meilen an das Boot herangefahren und haben gemäß der Vereinbarungen die Rettungsstelle MRCC in Rom informiert sowie das MSF-Team der Bourbon Argos kontaktiert und ihnen die Koordinaten durchgegeben.
Aus der notwendigen, zum Flüchtlingsboot stets eingeplanten Distanz heraus, wurde das Beiboot zu Wasser gelassen. Besatzung: Meik als Steuermann sowie Frank und Max als Mediziner und einen arabisch sprechenden Kommunikator. Beladen wurde unser Beiboot mit 20 Rettungswesten sowie Trinkwasser.
Allgemeine Situation beim Flüchtlingsschiff
Die Situation, die wir vorfanden, war sehr angespannt und unruhig, aber als sicher einzuschätzen. Die Flüchtlinge konnten ohne SAT-Telefon keinen Notruf absetzen und hatten die Orientierung verloren. Zudem hatte das Boot einen Motorschaden. Wir waren froh, das Boot gesichtet zu haben. Die Flüchtlinge aus dem Sudan, Somalia, Nigeria, keine Syrer, hatten große Angst vor unserem Beiboot, weil sie zunächst die libysche Küstenwache vermuteten. Wir belegten mit unseren Papieren unsere Absichten, ihnen zu helfen, blieben aber auf Abstand.
Wir entschlossen uns, das Wasser und die Rettungswesten nicht auszuteilen, um keinen Streit zu schüren. Mit dem Wissen, dass die Bourbon Argos in etwa 90 Minuten vor Ort eintreffen würde, und den ausgezeichneten Fähigkeiten von Frank und Tommy, beruhigend auf die Geflüchteten einzuwirken, sollte das die richtige Entscheidung sein.
Zustand der Geflüchteten
An Bord waren 98 Personen, davon
- 1 Person mit einem gebrochenen Bein (was vermutlich beim Einstieg passiert ist),
- 2 Schwangere,
- 1 Ohnmächtiger,
- 10 Frauen und
- 6 Kinder.
Unserer Crew ist es am Flüchtlingsschiff gelungen, die Situation ruhig und kontrolliert zu halten, bis schließlich das Schiff Bourbon Argos von MSF eintraf.
Die Flüchtlinge wurden von ihrem Boot aus von der Bourbon Argos an Bord genommen.
Einschätzung vom vorgefundenen Boot
Das Billigboot war in einem fraglichen Zustand. Es handelte sich um ein Schlauchboot, ca. 10 Meter lang, schätzungsweise 1 Tonne schwer, massiv mit Holzboden und Eisenverstrebungen. Sie hatten noch etwa 400 Liter Benzin an Bord, aber sie irrten mangels Orientierung umher, waren auf dem Radar nicht zu orten.
Koordination und Absprachen mit MSF Bourbon Argos
Nach dem Einsatz und der Mithilfe bei der Rettung, wurden wir beglückwünscht, wir hätten ausgezeichnet reagiert und gehandelt. Auf Anforderung der Bourbon Argos Crew sind unsere Mediziner Frank, Max und Kathrin mit auf das Ärzteschiff und haben bei der Erstversorgung geholfen. Gerade Kathrin als Gynäkologin war in der Versorgung der beiden Schwangeren eine wichtige Stütze.
Persönliche Gedanken der Crew
Für uns der erste reale Einsatz.
Die meisten Flüchtlingsboote sind vom Morgengrauen bis zum Mittag anzutreffen. Im Moment um den 13ten bis 14ten östlichen Längengrad herum.
Es ist bedrückend, nach dem Rettungsmanöver Badelatschen und persönliche Dinge aus dem Wasser zu fischen. Symbole schlimmster Bedingungen für wartende Flüchtlinge in Libyen und Menschen, denen die Chance von 50:50 auf der Reise über das Mittelmeer zu überleben mehr wert ist, als die Situation im heimatlichen Land.
Wie groß muss die Not dieser Menschen sein?
Die von uns angetroffenen Menschen haben noch im Boot laut gerufen, dass sie lieber im Meer sterben wollten, als nach Libyen zurückgebracht zu werden.
Ein irisches Kriegsschiff hat alle Flüchtlinge der Bourbon Agros aufgenommen – insgesamt etwa 200 Menschen heute und diese zum italienischen Festland gebracht, das Lager auf Sizilien ist hoffnungslos überfüllt.