Europa. Sie ist so viel und doch viel zu wenig von dem, was sie sein könnte. Zum Beispiel jemand, die nicht dabei zusieht, wie Menschen in den Nachrichten untergehen. Die sinkenden Booten mehr Beachtung schenkt als sinkenden Börsenkursen. Eine neue Europa, die Frontex abschwört und Seenotrettung begrüßt. Unterstütze Du sie auch. Spende jetzt!

Wir wollen. Wir brauchen eine neue Europa. Und zusammen mit der feministischen Formation Lebefrauu erschaffen wir jetzt ein Bild von ihr. Der neuen Europa. Der besseren Europa.

Das ist Europa

Payday

A Spark Of Hope

Kiss Frontex Goodbye

Wer ist Lebefrauu?

Lebefrauu sind zwei Feministinnen, die seit 2020 die Geschichten von FLINTA+ Personen in analogem Bild und digitalem Text einfangen. Sie entwickeln Thesen zu bestehenden sozialen Fehlkonstrukten und liefern Gegenvorschläge.

Das tun sie auf social Media, in Galerien, auf Festivalbühnen oder mit NGOs wie Sea-Watch. Sie wollen mit ihrer Arbeit dabei helfen Stigmata und Tabus abzubauen, die nicht nur Menstruierenden schaden. Und machen nebenbei Feminismus sexy – schadet ja nicht.

Trag die Botschaft nach außen

Mach Europa mit deiner Spende ein Stück besser

Noch Fragen?

Was ist das Ziel der Kampagne?

Ziel der Kampagne Wer ist Europa? ist es, 1. diese Frage durch das Mittel der Gegenüberstellung zu klären 2. Die Thematik weiter in die Mitte der Gesellschaft zu tragen und 3. natürlich Unterstützung für die Arbeit von Sea-Watch in Form von Spenden zu generieren.

Wir thematisieren den Ist-Zustand, indem wir den Soll-Zustand porträtieren. Die von Sea-Watch & Lebefrauu inszenierte Europa überwindet festgefahrene Verbindungen mit repressiven Behörden wie Frontex, stellt humanitäre Werte vor wirtschaftliche und schaut nicht länger weg, während an ihren Außengrenzen Menschen sterben und sterben gelassen werden.

Warum ist der Bezug zur griechischen Sage von Europa wichtig?

Der Bezug zur griechischen Göttin Europa ist nicht direkt in der Kampagne ersichtlich. Soll er auch nicht. Die original Europa gab uns viel eher eine klare Vorstellung davon, wie unsere Europa sein sollte.

Eine Figur, deren Name aus dem Griechischen übersetzt die mit der weiten Sicht bedeutet, darf keine kurzsichtigen eurozentristischen Entscheidungen fällen. Sie muss über ihre Grenzen hinaus schauen können und das Leid erkennen, das sich fernab ihrer Metropolen abspielt.
Die mythologische Familiengeschichte Europas ist ein Zeichen der Verbindung der Völker. Wie der Zufall will, durchreisen diese sogar den Mittelmeerraum, um neue Regionen zu besiedeln und eine vielfältige Kultur zu gestalten. Europa nimmt dabei die Rolle der Wegebnerin ein – nicht der sich gewaltsam entgegenstellenden Instanz, wie wir sie kennen.

Welche Rolle spielt Frontex in der Kampagne?

Frontex spielt eine Nebenrolle – zumindest in einem Film. Hier nimmt er die Rolle des Bald-schon-Ex-Freund von Europa ein. In ihrem inneren Trennungs-Monolog packt sie vor allem die Absurdität dessen, dass sie es so lange mit dieser Person ausgehalten hat. Dass sie zugelassen hat, sich so behandeln zu lassen, ausgenutzt zu werden und nichts dagegen zu tun. Frontex wurde dafür passend als großspurige, selbstgefällige Person inszeniert, die sich von Europa aushalten lässt.

Warum aber spielt Frontex keine Hauptrolle? Weil er nicht das eigentliche Problem ist. Genau wie in unserem Film muss sich Europa ändern, um Veränderung zu bewirken. Frontex ist nur eines ihrer Organe, das sie halten oder abstoßen kann. Wir plädieren natürlich für letzteres, inklusive der Umleitung aller Gelder, die an Frontex fließen, in die Seenotrettung.

Welche visuellen Formate werden in der Kampagne verwendet?

Drei professionell umgesetzte Kurzfilme sind das Herzstück der Kampagne. Diese werden durch Social Media Posts gestützt und durch bildstarke Aktionen in die Presse getragen.

Wie unterscheidet sich diese Kampagne von bisherigen Initiativen?

Wer ist Europa? will nicht anecken, nicht schockieren, nicht provozieren oder Bilder replizieren, bei denen viele einfach abschalten, weil sie es schlicht nicht ertragen können. Mit dieser Kampagne sprechen wir Menschen auf der emotionalen Hoffnungsebene an. Filmisch versuchen wir komplexe politische Zusammenhänge greifbar zu machen und einen Ausblick auf Lösungen zu geben, die gar nicht so schwer sind – wenn es denn jemand lösen wollte.

Wie können Menschen die Kampagne unterstützen oder sich daran beteiligen?

Unterstützer:innen können sich sowohl direkt als auch indirekt einbringen. Direkt durch das Führen von oder der Partizipation bei Street Interviews oder beim Verteilen von Kampagnenstickern und Kreidesprüche in Innenstädten. Indirekt durch Spenden und Teilen der Inhalte auf Social Media.

Welche Reaktion erhoffen sich Sea-Watch und Lebefrauu von der Öffentlichkeit und den Entscheidungsträger:innen?

Wir erhoffen uns, dass eine breitere Öffentlichkeit auf das Thema aufmerksam wird, dadurch der Druck auf Entscheidungsträger:innen nachhaltig erhöht und die Arbeit von Sea-Watch gefördert bzw. bestenfalls obsolet wird.

Wie kann die Kampagne dazu beitragen, eine veränderte Sichtweise auf Europa und seine Grenzpolitik zu fördern?

Da wir nicht den bekannten Weg der harten Konfrontation, sondern der niederschwellig künstlerischen Aufarbeitung wählen, können wir weit mehr Menschen ans Thema heranzuführen. Dadurch erwischen wir auch Menschen, die sich zuvor nicht mit dem Thema beschäftigt haben und es vielleicht auch nicht in politischer Tiefe werden, aber verstehen, aber zumindest verstehen, was die Probleme sind und dass es eine Lösung gibt. Eine andere Europa.

Was können Einzelpersonen tun, um aktiv an der Veränderung der europäischen Grenzpolitik mitzuwirken?

Wählen. Politik wird nicht nur von denen da oben gemacht, sondern von allen, die sie dorthin wählen. Gerade in Hinblick auf die bevorstehende Europawahl 2024 ist es also höchste Zeit, sich mit den Inhalten der Parteien auseinanderzusetzen bzw. damit, welche Parteien eine ausgrenzende, menschenfeindliche und lebensbedrohliche Politik vorantreiben will und welche nicht.

Wie sieht die Zusammenarbeit zwischen Sea-Watch und dem Kollektiv Lebefrauu aus?

Alles beginnt bei Thomas von Sea-Watch. Der ist Mitte 2022 an Lebefrauu herangetreten mit der Idee, Europa als personifizierte, bessere Version von sich darzustellen. Wie genau, in welchen Formaten, mit welchen Inhalten und in welchem Look, das sollte dem feministischen Kollektiv überlassen sein. Innerhalb von einem Jahr kamen weitere Mitstreiter:innen an Bord und realisierten fast komplett pro bono die finale Kampagne.

Fast pro bono meint hier die Leihgebühren für Kameraequipment und Leihwagen für den Dreh.

Gibt es konkrete Forderungen an die europäischen Regierungen?

Das große Ziel von Sea-Watch ist, sich selbst abzuschaffen. Seenotrettung darf nichts sein, was der zivilen Hand überlassen wird, weil es sonst keiner macht. Wir brauchen ein Europa, eine weltweite Politik, die nicht dabei zusieht, wenn Menschen sterben bzw. dazu beiträgt, dass sie sterben.

Daher fordern wir konkret:

  1. Die Gewährleistung von und den Geleit über sichere Seewege für Flüchtende.
  2. Eine parlamentarisch beschlossene, verpflichtende Aufnahme von Flüchtenden an sicheren europäischen Häfen.
  3. Den Abbau von Repressionen gegenüber der zivilen Seenotrettung.
  4. Strafrechtliche Konsequenzen für Push-Backs und die generelle Gefährdung von Menschenleben an europäischen Außengrenzen durch Beamt:innen von Frontex.
  5. Eine europäische Seenotrettung.

Warum wird betont, dass es keine "illegalen" Routen gibt?

Genauso wenig wie es illegale Menschen und Flüchtende gibt, gibt es illegale Routen. Es gibt nur Institutionen, die sie kriminalisieren. Durch die aktuelle europäische Politik werden Menschen aktiv daran gehindert, von ihrem Recht auf Flucht Gebrauch zu machen, indem Behörden wie Frontex eingeschaltet werden, um Menschen von den Verantwortungsgebieten der EU fernzuhalten. Das beginnt auch schon weit vor den europäischen Außengrenzen. In Nordafrikanischen Ländern werden durch europäische Entwicklungsgelder Wachen finanziert, die sich mitunter aus (ehemaligen) Mitgliedern von Milizen zusammensetzen, um Menschen bei ihrer Flucht zu hindern. Dadurch werden diese Routen nicht nur kriminalisiert, sondern die Menschen, die sich auf ihnen bewegen, in Gefahr gebracht, da sie auf noch gefährlichere Routen abgedrängt werden.

Welche Rolle spielt Feminismus in der Kampagne?

Feminismus ist nicht das explizite Thema der Kampagne, doch genau das ist der Punkt, den Lebefrauu macht: Feminismus ist überall, auch wenn es nicht direkt darum geht. Repräsentation ist der feministische Hauptfaktor bei Wer ist Europa?.

Das bedeutet, dass Frauen die Sprache, den Inhalt, die Maßnahmen und den Look der Kampagne erdacht haben. Es wurde explizit darauf geachtet, dass sowohl in der Besetzung, als auch in der kreativen Umsetzung möglichst viele FLINTA+ Personen vertreten sind.

Wo kann man weitere Informationen über die Kampagne finden und auf dem Laufenden bleiben?

Auf instagram.com/seawatchcrew/, instagram.com/lebefrauu/ sowie der Kampagnenseite https://sea-watch.org/wer-ist-europa/, wo zusätzliches Pressematerial, Filme und Fotos zur Verfügung stehen.

Solltest du weitere Informationen benötige, wende dich bitte an folgenden Ansprechpartner:

Thomas Hoffmann – Campaigns Manager
thomas.h@sea-watch.org
+49 30 1208 219 40

Welche Rolle spielt die Zivilgesellschaft in dieser Kampagne?

Die Zivilgesellschaft spielt in der Kampagne die zweitgrößte Rolle, neben Europa, denn Sea-Watch ist eine zivilgesellschaftliche Initiative. Ohne die Zivilgesellschaft gäbe es kein Sea-Watch, gäbe es keine Kampagne, gäbe es keine Rettungen an den europäischen Außengrenzen.

Wie können Bildung und Sensibilisierung zur Veränderung der Wahrnehmung von Geflüchteten beitragen?

Wir sind weit weg von den europäischen Außengrenzen, daher ist es leicht, die Zustände dort zu ignorieren. Wenn wir nicht wissen, um was oder wen es geht, entwickeln wir weder Verständnis noch Mitgefühl und schieben die Thematik einfach beiseite. Schlimmer noch: wir hören leichter auf rechte Argumente, die Flüchtende für nationale Missstände verantwortlich machen.

Aufklärung ist daher alles, sowohl im feministischen als auch im humanitären Kontext. Zur Bildung gehört ein Verständnis davon, was eigentlich die Beweggründe sind, die zur Flucht führen, wie Europa zu diesen Beweggründen beiträgt und welche Möglichkeiten die Menschen, die vor Krieg und Armut fliehen, haben. Zur Sensibilisierung gehört feinfühlig an ein Thema heranzuführen und möglichst viele Menschen damit mitzunehmen, gerade die, die sonst keine Berührungspunkte haben. Wenn beides gegeben ist, können rechte Thesen problemlos entkräftet werden und die echten Verantwortlichen belangt werden, was das Bild von Geflüchteten korrigiert zu Menschen.

All das kann eine Kampagne nicht komplett leisten – aber in vielen Punkten dazu beitragen.

Wie kann die Kampagne Menschen inspirieren, sich für Veränderungen in der Asylpolitik einzusetzen?

Eine Kampagne kann Menschen auf eine Reise mitnehmen, indem sie ihre Sprache spricht. Politik im Allgemeinen und vor allem Asylpolitik ist kein entspanntes Thema, das man gerne beim Abendessen mit der Familie oder in der Kaffeeküche bei der Arbeit bespricht. Eine spannend inszenierte Kampagne, die bei Joko & Klaas lief, schon. Denn den wenigsten Menschen ist das Thema egal, wenn sie erstmal einen Zugang gefunden haben. Es fehlt nur an den richtigen Zugängen.

Welche visuellen Elemente werden in der Kampagne verwendet, um die Botschaft zu unterstützen und die Aufmerksamkeit der Betrachter:innen zu gewinnen?

Bei der visuellen Umsetzung haben wir auf starke cinematische Bilder gesetzt. Die teils schwummrige bis melancholische Stimmung zieht Betrachtende in die Szene rein und lässt sie empfänglich für die nachgelagerten Botschaften zurück.

Ebenfalls haben wir uns bewusst für eine PoC Person für die Rolle der Europa entschieden, da wir damit ein progressives Bild zeichnen wollten, das bewusst subtil bei einigen anecken soll. Genau wie die Besetzung von Sea-Watch mit einer weiblich gelesenen Schauspielerin, sowie der gemeinsamen Szene, die sich in einen queeren Kontext setzen lässt.

Warum wurde sich für die Darstellung von Europa als eine Person entschieden? Welche symbolische Bedeutung steckt dahinter?

Stell dir eine Institution vor. Und jetzt stell dir deine Nachbarin vor. Ist doch irgendwie viel leichter, sich eine Person vorzustellen, als ein nicht greifbares riesiges Geflecht aus Gebäuden, Formalien, Behörden, bürokratischen Instanzen und undurchsichtigen Verbindung zwischen all dem – oder? Genau deshalb haben wir uns für die Darstellung von Europa als Person entschieden. Wir sind nun mal Menschen. Und Menschen können meist mehr mit Geschichten von Menschen als mit abstrakten Konzepten anfangen – auch wenn in diesem Fall ein Mensch stellvertretend für ein Konzept steht.

Wie tragen die Bilder und Darstellungen dazu bei, die Botschaft der Kampagne zu vermitteln?

Wir bilden eine Europa ab die schwarz, queer und selbstkritisch ist. Also das exakte Gegenteil von dem Europa, das wir aktuell in der politischen Realität vorfinden. Indem wir dieses Bild zeichnen, machen wir einen Vorstellungskorridor auf, der es ermöglicht neue gedankliche Wege zu gehen. Wie wäre es denn, wenn Europa so aussähe? Wenn sie queerfreundlich wäre? Wenn sie sich selbst in Frage stellen würde, um ein besseres Leben für mehr Menschen zu realisieren? Erst wenn wir diese Fragen aufwerfen und einige Antworten geben, können sich Zuschauer:innen vorstellen, wie eine andere Realität sein könnte. Und erst wenn wir uns andere Realitäten vorstellen können, können wir sie umsetzen. Frei nach Bell Hooks: What we cannot imagine cannot come into being.

Welche künstlerischen und gestalterischen Entscheidungen wurden bei der Erstellung der Motive und Bilder getroffen, um die Botschaft effektiv zu kommunizieren?

Wir haben uns dazu entschieden, neue Bilder zu schaffen, statt alte zu replizieren. Die meisten schauen mittlerweile weg, wenn sie Menschen in Not sehen. Denn es ist unangenehm und gelernt. Unsere Bilder schaffen hingegen einen neuen Zugang zu dem Thema Seenotrettung, Zivil- und Asylpolitik und gesamteuropäische Politik.

Welche Elemente in den Bildern verdeutlichen die Banalisierung des Elends und die Provokation gegenüber Europas Grenzpolitik?

Sei es die malerische Küste, an der Europa mit einem Sektglas entlangschlendert, oder der normale Kinobesuch, der zur Kulisse ihrer Geschichte wird. Wir haben ganz bewusst mit der Normalität des Unrechts und der damit oft einhergehenden Banalität des Bösen gespielt, die allgegenwärtig ist, aber uns doch meist an genau den alltäglichen Orten nicht erreicht. Gleichzeitig wollten wir Europa in Mitten von Europa als schönen, heilen Ort inszenieren, wo man das Leben genießen kann – wenn man nur gut genug weg schaut und keine eigene Fluchtgeschichte hat. In den kleinen Elementen wie dem Schmuck von Europa, ihrer Kleidung, die im Gegensatz zu den anderen Darsteller:innen sehr prunkvoll ist oder dem Sekt den sie Trink, verdeutlichen wir ihre erhabene, einflussreiche und monetär souveräne Rolle, die sie nutzen kann. In unseren Filmen tut sie es für’s Leben. In der Realität tut sie es für wirtschaftliches Wachstum und die politische Machtsicherung weniger. Genau in diesem Kontrast liegt unsere Provokation.

Welche Emotionen oder Gedanken sollen die visuellen Elemente in den Betrachter:innen hervorrufen?

Alle. Unsere Bilder sollen wütend, traurig, nachdenklich, hoffnungsvoll, hoffnungslos, ehrfürchtig, selbstkritisch, gesellschaftskritisch, aufmüpfig, glücklich, ergriffen, betroffen, alles sollen sie machen. Es sind Emotionen, an die wir uns erinnern. Die genauen Zahlen und Fakten verlieren wir meist innerhalb von kurzer Zeit, doch ein Gefühl, das etwas in uns auslöst, geht nicht mehr aus unserem emotionalen Gedächtnis raus. Denn wir haben ein starkes Gefühl, wenn es um Menschenleben geht: Keines davon darf eine Zahl in der Statistik sein, denn sonst geht es unter.