Während die Corona-Krise Europa in Bann hält, geraten das Leid von Schutzsuchenden und die humanitäre Katastrophe an Europas Grenzen in den Hintergrund. Allein im für maximal 3.000 Menschen ausgelegten Camp Moria auf Lesbos leben derzeit über 20.000 Menschen ohne ausreichenden Zugang zu Wasser, Seife und medizinischer Versorgung. Um der Ausbreitung von COVID-19 und seinen katastrophalen Auswirkungen rechtzeitig entgegenzutreten, müssen alle Menschen auf den griechischen Inseln umgehend medizinische Unterstützung erfahren und überfüllte Flüchtlingslager sofort evakuiert werden. Die in europäischen Häfen ohnehin festliegenden Kreuzfahrtschiffe bieten dafür beste Voraussetzungen.
Die führenden Anbieter von Kreuzfahrten haben aufgrund der Corona-Pandemie ihre Fahrten bereits bis in den April hinein eingestellt. Die Mehrzahl der Schiffe bietet ausreichend Platz für mehrere tausend Menschen und verfügt über vergleichsweise gut ausgestattete Krankenstationen. Die Schiffe bieten Raum für Maßnahmen zur Infektionsprävention, zur schnellen Identifikation von Krankheitsfällen sowie zur Isolation und Erstbehandlung von Patient*innen und allgemeinen Quarantänevorkehrungen.
„Notwendige Quarantäne- und Schutzmaßnahmen vor Corona müssen überall umgesetzt werden, um eine exponentielle Ausbreitung zu verhindern, auch in Flüchtlingslagern. Das heißt umgehende Evakuierung der überfüllten griechischen Lager und die Unterbringung an Orten, in denen die Menschen vor dem Virus geschützt sind – Kreuzfahrtschiffe können beides leisten. Wir dürfen niemanden zurücklassen“, sagt Sea-Watch Medic Aline Wedel, die gerade auf Lesbos im Einsatz ist.
Aufgrund ihrer örtlichen Isolierung und ihrer Mobilität sind Kreuzfahrtschiffe ideal geeignet, um Regionen wie Lesbos, Chios, Samos, Leros oder Kos in dem kurzen Zeitfenster, das noch bleibt, zu entlasten und damit einen katastrophalen Ausbruch von COVID-19 zu verhindern. Die dortige medizinische Infrastruktur reicht bereits kaum aus, um die lokale Bevölkerung zu versorgen, und steht bei einem Ausbruch in den Lagern vor dem unausweichlichen Zusammenbruch.
“Die Geflüchteten auf den griechischen Inseln, aber auch die lokale Bevölkerung wurden lange genug von Europa alleingelassen. Gerade in Krisen zeigt sich, wie ernst wir es tatsächlich mit der oft beschworenen Solidarität nehmen. Wenn die EU-Kommission jetzt nicht handelt, wird die dort bereits herrschende humanitäre Katastrophe viele weitere Menschenleben kosten”, sagt Johannes Bayer, Vorsitzender von Sea-Watch.
Sea-Watch bietet der EU-Kommission sowie den Betreiber*innen von Kreuzfahrtschiffen für die Umsetzung umfassende medizinische und organisatorische Unterstützung an, auch vor Ort auf Lesbos. Die Organisation sieht dabei die deutsche Bundesregierung in besonderer Verantwortung: “Über 140 deutsche Städte und Kommunen haben sich aufnahmebereit erklärt, 40.000 freie Plätze stehen allein in den deutschen Bundesländern zur Verfügung. Mit laufenden Krediten von über 8 Milliarden Euro ist der deutsche Staat einer der führenden Finanzier von Kreuzfahrtschiffen auf der einen Seite, und hat sich andererseits während der Finanzkrise an vorderster Front an der Verwüstung des griechischen Gesundheitssystems beteiligt. Wer jetzt nicht für die Evakuierung der Menschen sorgt, macht sich mitschuldig am potenziellen Tod Hunderter”, so Bayer.
Über 180.000 Menschen, darunter zahlreiche Prominente, haben bereits den Aufruf #LeaveNoOneBehind unterschrieben.