Laut Bericht der Süddeutschen Zeitung plant das Innenministerium in einem Gesetzesentwurf “zur Verbesserung der Rückführung”, dass zivile Seenotretter:innen zukünftig als Kriminelle verfolgt werden können. Nach dem von Innenministerin Faeser dem Kabinett vorgelegten Entwurf drohen für die Rettung von Menschen aus Seenot zukünftig bis zu 5 Jahre Haft.
In der geplanten Änderung geht es um den Paragraph 96 des Aufenthaltsgesetzes. Bisher stellt das Gesetz unter Strafe, wer Menschen gegen Geld in die EU bringt, also als Gegenleistung “einen Vorteil erhält oder sich versprechen lässt”. Die bestehende Unterscheidung zwischen finanziellen Beweggründen und der uneigennützigen, nach internationalen Übereinkommen angezeigten Rettung durch zivile Organisationen wird durch den geplanten Gesetzesentwurf allerdings aufgehoben. In Zukunft wird kein finanzieller Vorteil notwendig sein, um eine Strafbarkeit zu begründen, eine Ausnahme für humanitäre Arbeit ist nicht vorgesehen. Dies hätte zur Folge, dass zivile Seenotrettretter:innen für ihre lebensrettende Arbeit vor Gericht angeklagt und mit bis zu 5 Jahren Haft bedroht werden können. Deutschland reiht sich mit dem aktuellen Gesetzesvorschlag ein in die repressive Politik in Griechenland und Italien, wo Seenotretter:innen und Flüchtende in jahrelange Strafprozesse verwickelt werden.
2023 ist das tödlichste Jahr im Mittelmeer seit 2017, über 2400 Menschen haben laut der Internationalen Organisation für Migration (IOM) bislang beim Fluchtversuch ihr Leben verloren.
Die geplante Änderung steht in Widerspruch zur strafrechtlichen Pflicht, Menschen in Not zu helfen und der menschenrechtlichen Pflicht, Menschen in Seenot zu retten und an einen sicheren Ort zu bringen. Sie ist außerdem ein weiterer Bruch des Koalitionsvertrags der Bundesregierung, der die “zivilisatorische und rechtliche Verpflichtung, Menschen nicht ertrinken zu lassen” betont, und nach der zivile Seenotrettung nicht behindert werden darf.
“Der Vorschlag muss sofort zurückgenommen werden. Die Todeszahlen im Mittelmeer sind so hoch wie seit Jahren nicht, und das Innenministerium plant den massivsten Angriff auf zivile Seenotrettung seit unserem Bestehen. Beim Sterbenlassen gleichgültig zuschauen und zivile Rettung kriminalisieren, schäbiger wird es nicht.”
sagt Oliver Kulikowski, Sprecher von Sea-Watch.
“Es macht uns fassungslos, wie die Regierung von einem menschenrechtlichen Tiefpunkt zum nächsten taumelt. Statt sich von der AfD weiter in den moralischen Bankrott treiben zu lassen, sollte Frau Faeser kurz innehalten und wenigstens ihren eigenen Koalitionsvertrag lesen. Wer auf der Seite von Menschenrechten und dem Recht auf Leben steht, kann diesem Vorschlag nicht zustimmen.“
sagt Marie Naass, Head of Advocacy bei Sea-Watch.