©Anja Franke
Seit April diesen Jahres operiert die Moonbird über dem Mittelmeer. Die zivile Luftaufklärungsmission startete als gemeinsames Projekt von Sea Watch und Humanitarian Pilots Initiative (HPI) mit finanzieller Unterstützung durch die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD), um eine weitere Lücke in der zivilen Seenotrettung zu schließen. Sie übernimmt die Funktion Rettungseinsätze zu koordinieren und als unabhängige Beobachterin die unterlassene Hilfeleistung an Europas tödlicher Seegrenze zu dokumentieren. Nach ihrem ersten Einsatz am Osterwochenende vor einigen Monaten, wo Dank des Blicks von oben mehr als 100 Menschen in letzter Sekunde vor dem Ertrinken gerettet werden konnten, ist sie regelmäßig im Einsatz.
So auch heute. In geordneten Bahnen fliegen wir das Suchgebiet von Osten nach Westen ab, und wieder zurück. Wir kreuzen Frachter und Militärschiffe aber auch die kleineren Boote der NGOs auf unserem Weg. Die klare Sicht lässt uns die Hochhäuser von Tripoli am Horizont erahnen. Der Tag beginnt ruhig mit einem Schlenker über dem Suchgebiet östlich der libyschen Hauptstadt. Auf einer optimalen Suchhöhe von 1500 Fuß über dem Meeresspiegel wird es heiß unter dem Overall. „I have a visual at nine o‘clock“ schallt es plötzlich durch meine Kopfhörer. Daniel hat ein Boot
gesichtet. Ein lautes Piepen ertönt als Manos den Autopiloten ausschaltet, gefolgt von dem Stich in der Magengrube, als der kleine Sportflieger in den Senkflug geht. Mit dem bloßen Auge können wir schon bald das überfüllte Schlauchboot erkennen. Die Menschen sitzen und stehen dicht an dicht gedrängt, die meisten tragen keine Schwimmveste. Sie winken als wir über sie hinweg fliegen, mit beiden Armen weit ausgestreckt. Eine Person hält ein Baby in die Luft. Von hier oben können wir erkennen, dass das Boot keinen Antrieb mehr hat. Sie treiben vor sich hin ohne Orientierungspunkte und ohne größere Schiffe in unmittelbarer Nähe.