Freitag frühmorgens attackierten Mitglieder der Türkischen Küstenwache außerhalb ihrer Hoheitsgewässer ein Fluchtboot, feuerten Schüsse und verletzten mindestens zwei Flüchtende schwer. Entgegen der seerechtlichen Bestimmungen halfen sie den Menschen in Seenot nicht, sondern brachen zusätzlich Völkerrecht, als sie 20 Menschen mit zurück ans türkische Festland nahmen. Die Griechische Küstenwache rief das Team von Refugee Rescue zur Hilfe, um die verbliebenen 17 Menschen nach Lesbos zu bringen. Der Brite Richard Hall war einer der freiwilligen Helfer. Uns hat er von dieser Nacht erzählt:
Wir haben um 3.47 Uhr morgens unser Rettungsboot ins Wasser gelassen. Als wir beim Schiff der Griechischen Küstenwache ankamen, erzählten sie uns, dass es eine chaotische Nacht gewesen sei: „Was die Türken getan haben, ist schrecklich“, sagte einer und fügte hinzu: „Die sind wie Tiere, es gibt absolut keinen Grund, so etwas zu tun.“
Auch die Geretteten waren sehr aufgewühlt, mehrere von ihnen hatten Verletzungen im Gesicht, die noch ganz frisch aussahen. Sobald wir an Land kamen, kümmerte sich ein Ärzteteam um sie und wir organisierten einen Übersetzer, um mehr über den Vorfall zu erfahren. Das haben uns die Geflüchteten erzählt:
Die Türkische Küstenwache schoss zuerst in die Luft, rammte anschließend das Flüchtlingsboot und feuerte dann Schüsse knapp neben das Boot ins Wasser. Als die griechische Küstenwache ankam, forderten sie ihre türkischen Kollegen auf, wieder in türkische Gewässer zurückzukehren. In diesem Augenblick sprangen 17 Menschen von ihrem Boot und schwammen zur griechischen Küstenwache. Die Türken versuchten, sie aus dem Wasser zu ziehen und müssen dabei einen harten Gegenstand benutzt haben, weil einige Männer ziemlich tiefe Schnitte im Gesicht hatten. Die Türkische Küstenwache hat die 20 anderen Flüchtenden, hauptsächlich Frauen und Kinder, mit zurück in die Türkei genommen.
Ich habe selbst gesehen, wie sehr die griechischen Küstenwachen der Vorfall gestresst hat. Es ist einfach scheußlich, dass türkische Beamte so etwas tun. Für mich ist es nicht hinnehmbar, dass die EU die Türkei mit Geld dabei unterstützt.
Der UNHCR muss ermitteln
Die Hilfsorganisationen Refugee Rescue und Lighthouse Relief haben heute einen Brief an das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen geschickt. Wir fordern gemeinsam mit ihnen die Behörden dazu auf, offensichtliche Verstöße gegen See- und Völkerrecht nicht unbeachtet zu lassen und endlich Verantwortung zu übernehmen. Es folgt ein Auszug aus dem Statement, das hier heruntergeladen werden kann: STATEMENT OF CONCERN_UNHCR
„As members of the north shore emergency response group in Lesvos, Greece, we are deeply concerned by reports of an illegal pushback in Greek waters at approximately 2:50 – 3:35 AM today, 10 November 2017, as well as allegations of violent behaviour by the Turkish coastguard. […]
We accordingly urge the UN Refugee Agency to fully investigate this incident and the broader trend of illegal pushbacks in Greek waters, and put pressure on authorities that undermine their international obligations and needlessly put lives at risk. This abdication of responsibility by the EU and its member states has no basis in international law.“
Unser Motto ist #MonitoringDirtyDeals. Als Zivilgesellschaft akzeptieren wir Menschenrechtsverletzungen im Namen der Migrationsabwehr nicht! Weitere Vorfälle haben wir in unserer interaktiven Karte dokumentiert:
Interview: Theresa Leisgang