Mit dem nahenden Wintereinbruch spitzt sich die Lage in der Ägäis zu. Im September kamen 4609 Flüchtende auf den griechischen Inseln an, im Oktober werden die Zahlen weiter steigen. Doch weder die Behörden noch der UNHCR treffen Vorbereitungen, um zu verhindern, dass sich das Szenario des vergangenen Winters wiederholt, als sechs Menschen in den griechischen Lagern erfrieren mussten. Sea-Watch hat deshalb mit einem breiten Bündnis von Hilfsorganisationen die Behörden dazu aufgerufen, sofort aktiv zu werden: #opentheislands, bringt die Menschen ans Festland! „Jeder weitere Tod geht auf das Konto der griechischen Regierung und der EU“, sagt Caroline Schröder, Einsatzleiterin der Sea-Watch 1 Mission.
„Europa ist zurück im Zeitalter der Lager”, fasst Einsatzleiterin Caroline Schröder ihre Erfahrungen von drei Monaten Beobachtungsmission in der Ägäis zusammen. “Menschen, die bei uns vor Krieg und Verfolgung Schutz suchen, brauchen dringend mehr Aufmerksamkeit als einen Pappkarton und eine Decke. Das kann nicht zu viel verlangt sein. Wir beobachten hier unerträgliche Zustände, jeden weiteren Kältetod haben die EU und die griechische Regierung zu verantworten.“
Besonders drastisch ist die Situation im HotSpot Moria auf Lesbos. Im Sea-Watchblog #MonitoringMoria werden die Missstände systematisch dokumentiert. So beschreibt ein Geflüchteter die Bedingungen im Lager, wo mit ihm derzeit über 5000 Menschen untergebracht sind – ausgelegt ist die Anlage für 2300 Bewohner: „In Moria zu leben macht uns alle krank. Morgens wachst Du in einem überfüllten Zelt oder Container zwischen anderen Menschen auf. Es stinkt abscheulich und ich hasse es, dass ich mich selbst nicht waschen kann. Im Winter ist es eisig kalt. Alles ist durchnässt. Wenn Du wach wirst, kannst Du Deine Glieder nicht bewegen. Und Du bist mit Asche überzogen. Letzten Winter haben wir Papier und Plastik verbrannt, um uns zu wärmen. Es ist, als wären wir keine Menschen.“
Sea-Watch forderte daher diese Woche mit über 40 Initiativen, die auf den Inseln aktiv sind, die Lager noch vor dem Winter zu schließen: sea-watch.org/open-the-islands/ Das Bündnis betont, dass die verheerende Situation in den Lagern kein Resultat der aktuell fallenden Temperaturen oder dem Anstieg von Ankünften zu schulden ist. Es ist das Ergebnis des EU-Türkei-Deals und der europäischen Politik der Abschottung.
„Diese Politik im australischen Stil hält Menschen für unabsehbare Zeit auf den Inseln gefangen. Unser Appell richtet sich deshalb auch an die EU. Alle europäischen Regierungen sind verantwortlich dafür, dass Geflüchtete hier in ihren Rechten beschnitten werden. Das Recht auf Obdach und eine angemessene Wohnung ist ein Menschenrecht!“, sagt Caroline Schröder.
Hier geht’s zum Sea-Watchblog #MonitoringMoria: https://sea-watch.org/en/monitoring-moria/
Titelfoto: Roman Kutzowitz