Die Crew der Sea-Watch 1 hat in der Ägäis am vergangenen Montag 27 Menschen aus akuter Seenot gerettet, der EU-Türkei-Deal bröckelt. In den darauffolgenden Tagen fand allein unser Aufklärungsflugzeug #Moonbird sieben Boote in Seenot vor der libyschen Küste. Eines davon sank genau in dem Moment, als es von den Piloten entdeckt wurde. Zwar waren die Zahlen der Überfahrten auf der zentralen Mittelmeerroute zunächst gesunken, nachdem der italienische Staat Medienberichten zufolge eine Miliz dafür bezahlt hatte, Abfahrten von Fluchtbooten zu verhindern. Die vergangene Woche zeigt aber mehr als deutlich, dass die humanitäre Krise auf dem Mittelmeer keinesfalls beendet ist und schmutzige Deals mit der Türkei oder Libyen keine langfristige Lösung sind.
Am 29. August vermeldete die Internationale Organisation für Migration, es habe seit mindestens drei Wochen keine Toten auf dem Mittelmeer mehr gegeben. Am 30. August jedoch berichtet der einzige Überlebende eines Bootsunglücks, der schwimmend (!) in Tunesien den Strand erreichte, von 120 Menschen, die mit ihm aufgebrochen waren. Von ihnen fehlt seither jede Spur. Auch bei einem Einsatz der Seefuchs vor Tunesien berichten Gerettete von zwei weiteren Booten, die offenbar nicht gefunden wurden. „Es ist ein Trugschluss zu glauben, die humanitäre Krise an unseren Grenzen sei vorbei. Nach wie vor sterben auf dem Mittelmeer Menschen. Gerade in der letzten Woche gab es zahlreiche Seenotfälle. Mehr als 120 Menschen wären jetzt tot, wenn wir sie nicht gerade noch rechtzeitig aus der Luft entdeckt hätten“, sagt Ruben Neugebauer, Leiter der Sea-Watch Luftaufklärungsmission #Moonbird. „Fast alle noch verbliebenen Schiffe der zivilen Flotte waren vergangene Woche im Rettungseinsatz, auch wenn sie sich aufgrund der Drohungen durch die sogenannte Libysche Küstenwache deutlich weiter im Norden aufhalten. Das zeigt, dass es keinen Unterschied macht, ob wir kurz vor der Küste kreuzen, wie uns immer wieder vorgeworfen wird. Es ist eben die furchtbare Situation in Libyen und das Fehlen sicherer und legaler Wege, das nach wie vor Tausende in die Boote treibt“. „Auch auf anderen Migrationsrouten, etwa vor Spanien oder in der Ägäis, steigen die Zahlen Flüchtender. Der Türkei-Deal bröckelt. Deswegen haben wir die Sea-Watch 1 zu einer Beobachtungsmission dorthin entsandt, wo es am Montag ebenfalls zu einem Rettungseinsatz für unsere Crew kam“, so Sea-Watch Geschäftsführer Axel Grafmanns. Alleine im August sind 3121 Menschen auf den griechischen Inseln in der Ägäis angekommen. Die Abschottungspolitik der EU ändert nichts an den Fluchtgründen, sie ändert lediglich die Fluchtrouten und macht sie für Menschen in Not noch gefährlicher. Deshalb werden wir weiter im Einsatz bleiben, zu Wasser und in der Luft, deshalb sind wir nun auch in der Ägäis wieder aktiv und deshalb rüsten wir gerade die Sea-Watch 3 aus, um ein weiteres Rettungsschiff in den Einsatz zu bringen. „Die Europäische Union und damit auch die künftige Bundesregierung muss sich entscheiden, zwischen Menschenrechten und Migrationsabwehr. Beides ist nicht vereinbar. Wer Menschenrechtsverletzungen auf den verschiedenen Migrationsrouten verhindern will, muss sichere und legale Einreisewege schaffen. In der Rhetorik des Wahlkampfs 2017 sind jedoch selbst elementare Grundrechte zur Verhandlungsmasse verkommen,“ sagt Sea-Watch Vorstand Frank Dörner. „Deals mit zweifelhaften Regimen können keine Lösung für die multiplen Krisen sein, die derzeit weltweit mehr als 65 Millionen Menschen auf die Flucht zwingen, das zeigt die vergangene Woche mehr als deutlich. Wir brauchen endlich eine konstruktive Debatte über eine Migrationspolitik, die diesen Namen auch verdient. Wir dürfen uns nicht weiter von Rechtspopulisten wie die Sau durchs Dorf treiben lassen.“ |