Reggio Calabria: Nach der Rettung von 428 Personen aus Seenot blockierten die italienischen Behörden am Mittwochabend, den 21. September 2022, die Sea-Watch 3. Erst Anfang August erklärte der Europäische Gerichtshof (EuGH) jene willkürlichen Hafenstaatkontrollen für unzulässig. Um Seenotrettung zu behindern, fokussieren sich die italienischen Behörden in ihrer Begründung erneut auf die Anzahl der geretteten Menschen und ignorieren das EuGH Urteil.
Während einer regulären Hafenstaatkontrolle Anfang August 2022 wurden bei der Sea-Watch 3 kleinere Mängel festgestellt. Nach Ankunft im Hafen von Reggio Calabria erwartete Sea-Watch daher eine kurze Prüfung, bei der die Behebung der entsprechenden Mängel nochmals bestätigt werden sollte. Stattdessen führten die italienischen Behörden eine umfangreiche Hafenstaatkontrolle durch, die nach 13,5 Stunden in der wiederholten Blockade der Sea-Watch 3 mündete.
In der Vergangenheit wurden Rettungsschiffe nach Hafenstaatkontrollen mit absurden Begründungen festgehalten: Es fehle eine imaginäre Zertifizierung oder es seien zu viele gerettete Menschen an Bord. Um gegen diese willkürlichen Blockaden vorzugehen, reichte Sea-Watch 2020 Klage ein, welche daraufhin an den EuGH weitergeleitet wurde. Am 1. August 2022 erklärte der Gerichtshof schlussendlich, dass Seenotrettung stets eine Pflicht darstelle und Hafenstaatkontrollen künftig nicht mehr willkürlich gegen NGOs eingesetzt werden dürften. In seinem Urteil betonte der EuGH, dass Italien keine erfundene Zertifizierung verlangen kann, die unter deutscher Flagge nicht existiert. Auch die Anzahl der geretteten Personen stellt keinen triftigen Grund für eine Blockade dar. Zwar dürfen weiterhin Hafenstaatkontrollen durchgeführt werden, doch nur innerhalb vorgesehener Fristen oder mit triftigem Grund.
Wider dem Urteil benutzen die italienischen Behörden erneut ein kreatives Argument, um Such- und Rettungsbemühungen im Mittelmeer zu behindern. Indem sie die Anzahl der geretteten Personen mit der Sicherheit des Schiffes in Verbindung bringen, argumentieren die italienischen Behörden, dass eine zu große Anzahl an geretteten Menschen „eine Gefahr für Personen, Eigentum oder die Umwelt“ (Zitat aus dem Inspektionsbericht) darstelle, da diese angeblich die Sicherheit des Schiffes schmälere. Tatsächlich aber überprüfen und bewerten die Schiffskapitän:innen und Sea-Watch bei jeder einzelnen Rettungsaktion die Sicherheit des Schiffes neu und gewährleisten, dass alle Einsätze sicher durchgeführt werden.
Aus der absurden Argumentation, zu viele Menschen gerettet zu haben, folgt, man solle Menschen lieber dem Ertrinken überlassen. Dabei wird ignoriert, dass es die Pflicht eines:einer jeden Kapitän:in ist, Hilfe auf See zu leisten. Hinzu kommt, dass sich die italienischen Behörden selbst widersprechen: Indem sie die Besatzung der Sea-Watch 3 über eine Woche lang auf einen sicheren Hafen warten lassen sowie ihre eigene Pflicht zur Seenotrettung im zentralen Mittelmeer aktiv ignorieren, bringen sie die geretteten Menschen und die Crews der Such- und Rettungsschiffe aktiv in Gefahr – und nicht andersherum.
Diese Praktiken sowie die willkürlichen Kontrollen und Blockaden zur Verfolgung der eigenen politischen Agenda müssen sofort eingestellt werden.
Johannes Bayer, Vorstandsmitglied von Sea-Watch resümiert: „Kurz vor den Parlamentswahlen verschärfen die italienischen Behörden die Kriminalisierung von Migration und ziviler Seenotrettung. Sie versuchen einmal mehr, uns mit absurden Methoden davon abzuhalten, das Recht aller Menschen auf Sicherheit und Leben durchzusetzen. Doch das wird ihnen nicht gelingen, denn wir werden unsere Arbeit fortsetzen und noch entschlossener kämpfen als je zuvor.”