+++BREAKING+++ Sea-Watch Crew rettet 27 Bootsflüchtlinge vor der griechischen Insel Kós
Laila* lehnt zitternd an der Reling der Sea-Watch 1, sie atmet schwer. Als Bootsfahrer Ben ihre Hand nimmt, lässt sie nicht mehr los. Laila hat in ihrem Leben schon angsteinflößendere Dinge gesehen, als ein deutsches Rettungsschiff. Aber die Todesangst hat sie auch an diesem Abend wieder eingeholt, auf der Überfahrt von Bodrum in der Türkei nach Europa. Sie ist mit ihrem Freund aus Kobane in Syrien geflohen. Alles, was sie aus ihrem alten Leben mitgenommen hat, passt in eine pink-karierte Tasche.
Um 2.30 Uhr morgens hatte Sea-Watch Kapitän Phil ein ungewöhnlicher Anruf von der griechischen Küstenwache in Kós erreicht: „Hello my friend, can you help us? Könnt ihr mit Eurer Crew ein Flüchtlingsboot in den Hafen bringen?“ Seit Beginn der Sea-Watch Monitoring Mission in der Ägäis hatte es eher den Anschein gemacht, die griechische Küstenwache wolle keine NGOs auf dem Wasser sehen. In Kós war der Kommander offensichtlich sehr dankbar über die Hilfe der Sea-Watch Crew. „Die Rettung gestern war ein wichtiges Zeichen für uns: So könnte gute Zusammenarbeit mit den Behörden immer aussehen“, so Phil.
Eine Stunde später sitzen mit Laila und ihrem Freund 25 weitere Menschen aus Syrien und dem Irak auf dem vorderen Deck der Sea-Watch 1. Zwei von ihnen sind die Schwestern Hiba und Fadia. Ihren Laptop und alles andere, was sie noch besaßen, haben sie für die Überfahrt verkauft. 2.200 Euro haben die Schlepper für die Fahrt von Bodrum in ein neues Leben verlangt – ein stolzer Preis für eine Strecke, die für andere mit der Fähre nur 50 Euro kostet. „Wir haben nur unser Handy, die Pässe und die Medikamente für meine Mutter dabei“, sagt Fadia in schüchternem Englisch. Seit drei Jahren lebt ihr Vater in Dortmund. Alles was sie wollen, ist, wieder in Sicherheit mit der ganzen Familie zusammen zu leben. „Turkey is no good place for us“, sagt die 26-jährige Fadia, die ihr Lehramts-Studium beenden will, sobald sie in Deutschland ankommt. Wenn sie in Deutschland ankommt.
An Bord der Sea-Watch 1 erzählen die Geretteten von dem Gerücht, der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan wolle Druck auf die EU machen, indem seine Küstenwache mehr Boote die Grenze nach Europa überqueren ließe. Auch Medienberichten zufolge beschwerte sich die türkische Regierung über fehlende Unterstützung aus Europa. Sicher ist: Auf den griechischen Inseln kamen in den letzten Wochen wieder deutlich mehr Flüchtende an.
Im Morgengrauen wurden alle Geretteten in ein Lager gebracht, das im Zentrum der Insel liegt. Die Mühlen des Asylsystems in Europa mahlen langsam. Es kann noch Monate dauern, bis Fadia und Heba wissen, ob sie ihren Vater wiedersehen. Aber in diesem Moment zählt für sie nur, überlebt zu haben: „Thank you Sea-Watch“, rufen sie und winken zum Abschied im Hafen.
Text und Fotos: Theresa Leisgang
*Laila hat Angst. Vor Bomben. Vor der Überfahrt in der Nacht. Und davor, dass ihr echter Name veröffentlicht wird, bevor ihr Asylantrag geprüft wird. Sie müsste nicht so viel Angst haben, wenn es sichere Einreisewege nach Europa gäbe #SafePassage.