Einer der dramatischsten und traurigsten Einsätze der Sea-Watch 3 jährt sich heute zum ersten Mal: Am 6. November 2017 schickte die Rettungsleitstelle in Rom unser Schiff zu einem mit 145 Menschen besetzten Boot in Seenot.
Die ebenfalls am Unglücksort eingetroffene sogenannte Libysche Küstenwache löste mit ihrem harten unprofessionellen Vorgehen Chaos und Panik aus. Einziges Ziel der Libyer schien die illegale Rückführung möglichst vieler Schiffbrüchiger in das Bürgerkriegsland. Mindestens 20 Menschen verloren an diesem Tag ihr Leben.
Wer das umfangreiche Videomaterial des Vorfalls kennt, vergisst den panischen Funkspruch des italienischen Helikopterpiloten nicht mehr: „Libyan Coast Guard … we want you to stop! Now! Now! Now!“ Nicht zuletzt auf Basis dieser Aufzeichnungen verklagten im Mai 17 Überlebende des Unglücks den Staat Italien vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Der Vorwurf: Italien unterstützt libysche Kräfte bei der völkerrechtswidrigen Rückführung von Migrant*innen. Ein Urteil steht aus. Doch bereits 2012 wurde Italien wegen eines ähnlichen Falles verurteilt.
Fakt ist: Binnen der letzten zwölf Monate hat sich die Lage nicht verbessert. Im Gegenteil, sie hat sich dramatisch zugespitzt. Die EU hat die Schotten dichtgemacht, zivile Seenotretter*innen kriminalisiert und Schiffe ohne rechtliche Grundlage monatelang an die Kette gelegt. Tausende Verzweifelte wurden von der sogenannten Libyschen Küstenwache abgefangen und im Rahmen illegaler Pullbacks zurück in jene Folterlager gebracht, denen sie gerade erst entkommen waren. Wer trotzdem durchkommt, kommt oft nicht an: Die Todesrate hat sich inzwischen mehr als verdoppelt. Auf jede*n Ertrunkene*n kamen im Jahr 2018 nur noch 17 erfolgreiche Ankünfte.
Deshalb ist es so wichtig, dass wir uns nicht entmutigen lassen und weiter rausfahren. Um Leben zu retten und – wo wir nicht helfen können – die Unmenschlichkeit zumindest zu dokumentieren.