Dieses Factsheet gibt einen Überblick über die politischen Entwicklungen und operationelle Updates in Bezug auf unsere Schiffe und Flugzeuge von Januar bis März 2025.
1. Politische Entwicklungen
Seenotrettungsorganisationen haben sich dem Strafverfahren im Zusammenhang mit dem Schiffsunglück in Crotone, Italien, angeschlossen
Am 26. Februar 2023 starben vor der Küste von Crotone, Italien, mindestens 94 Menschen, nachdem ein Boot gesunken war, obwohl Frontex vor Ort war. Es wurde kein Notruf abgesetzt, und die Rettung verzögerte sich. Sechs italienische Beamte müssen sich nun wegen Totschlags und Fahrlässigkeit verantworten. Mehrere Nichtregierungsorganisationen, darunter Sea-Watch und SOS Humanity, werden sich dem Prozess als Zivilparteien anschließen, um die Familien der Opfer zu unterstützen und auf die Übernahme von Verantwortung zu drängen. Dieser Schiffbruch ist Teil eines umfassenden Musters systematischer unterlassener Hilfeleistung an den europäischen Grenzen.
Italien für Pushback nach Libyen verantwortlich gemacht: Überlebendem wird Visum für Italien gewährt
Am 14. Juni 2021 übergab das Handelsschiff Vos Triton rund 170 Menschen rechtswidrig an ein Schiff der sogenannten libyschen Küstenwache – dokumentiert von Seabird 1, dem Aufklärungsflugzeug von Sea-Watch. Ein Gericht urteilte später, dass Italien eine maßgebliche Rolle bei diesem Vorgang spielte und daher die Verantwortung trägt, Rettung und sichere Ausschiffung zu gewährleisten – was in Libyen nicht möglich ist.
Dieses Urteil ist ein rechtlicher Meilenstein: Es bestätigt erstmals Italiens Verantwortung bei Seenotfällen und völkerrechtswidrigen Rückführungen.
2. Updates zu unseren Luftoperationen mit Seabird 1
Überblick über beobachtete Seenotfälle
Von Januar bis März führten wir 27 Einsätze mit unserem Aufklärungsflugzeug Seabird 1 durch, mit einer Gesamtflugzeit von 136 Stunden – das entspricht 5 Tagen und 16 Stunden in der Luft. Dabei sichteten wir etwa 997 Menschen in Seenot auf 22 verschiedenen Booten.
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260 Personen auf 6 Booten in Seenot – darunter 3 aus der maltesischen und 1 aus der tunesischen SAR-Zone – wurden von der sogenannten libyschen Küstenwache und der libyschen „Küstensicherheit“ abgefangen und nach Libyen zurückgeführt.
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455 Personen auf 10 Booten in Seenot wurden entweder von den italienischen Behörden gerettet oder erreichten eigenständig Italien und konnten dort anlanden.
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54 Personen auf 1 Boot in Seenot wurden in der italienischen SAR-Zone von einem Frontex-Schiff gerettet, nachdem das NGO-Schiff Astral zuvor stabilisierend eingegriffen hatte.
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208 Personen auf 4 Booten in Seenot wurden von NGO-Schiffen gerettet und in Italien an Land gebracht.
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Der Verbleib von 20 Personen auf 1 Boot in Seenot bleibt unklar.
Im Zeitraum Januar bis März muss davon ausgegangen werden, dass die Europäische Grenz- und Küstenwache Frontex in die Geschehnisse rund um mindestens 697 Personen auf 15 Booten in Seenot, die von Seabird 1 gesichtet wurden, involviert war.
Sechs dieser Boote mit 254 Personen wurden von den italienischen Behörden gerettet oder erreichten selbstständig Lampedusa. Ein Boot wurde – nach vorheriger Stabilisierung durch das NGO-Schiff Astral – von einem dänischen Frontex-Schiff in der italienischen SAR-Zone gerettet. Der Verbleib von einem Boot mit etwa 20 Personen ist weiterhin ungewiss. Vier Boote mit 208 Personen wurden durch NGO-Schiffe gerettet. Vier weitere Boote mit rund 215 Personenwurden von der sogenannten libyschen Küstenwache abgefangen und nach Libyen zurückgebracht – teils sogar aus der maltesischen SAR-Zone.
3. Updates zu unseren Einsätzen auf See mit Sea-Eye 4 und Aurora
Zwischen Januar und März 2025 retteten Sea-Watch-Crews in drei Einsätzen mit der Aurora und der Sea-Eye 4 insgesamt 115 Menschen aus Seenot. Im Februar rettete die Sea-Eye 4 41 Personen – musste jedoch auf Anweisung der Behörden einen dreitägigen Umweg bis nach Neapel fahren.
Im März wurden weitere 80 Menschen von drei Booten gerettet. Auch hier wiesen die italienischen Behörden erneut einen weit entfernten Hafen zu – was die Rettungskapazitäten unnötig lange band.
Währenddessen verharrten 32 Menschen über drei Tage auf der Gasplattform Miskar, nachdem mehrere Behörden trotz Kenntnis der Lage nicht eingriffen. Erst am 4. März rettete die Aurora von Sea-Watch die Gruppe und brachte sie nach Lampedusa. Eine Person überlebte nicht.