Berlin, 18. Juni 2025 – Zum zehnjährigen Bestehen ziviler Seenotrettung im zentralen Mittelmeer zogen United4Rescue, Sea-Watch, Sea-Eye und SOS Humanity auf einer Pressekonferenz Bilanz – und forderten ein Ende der politischen Blockaden von Rettungseinsätzen.
Seit 2015 leistet zivile Seenotrettung unmittelbare Hilfe im zentralen Mittelmeer. Bis April 2025 waren zivile Schiffe an der Rettung von 175.595 Menschen beteiligt – trotz wachsender politischer und bürokratischer Schikanen. Europäische Staaten und die EU setzen weiterhin auf Abschottung statt Schutz und missachten dabei internationales Recht. So führte etwa das italienische “Piantedosi-Dekret” seit Januar 2023 zur Festsetzung ziviler Schiffe in 28 Fällen – insgesamt 680 Tage lang.
“Solange es kein europäisch koordiniertes Seenotrettungsprogramm gibt, werden weiterhin Tausende Menschen bei dem Versuch sterben, die EU zu erreichen – oder in einem grauenhaften Gewaltkreislauf in Libyen gefangen bleiben. Nach 10 Jahren ziviler Seenotrettung auf dem Mittelmeer, wissen wir: Diese Situation ist kein Zufall. Sie ist politisch gewollt – und sie kann von der EU-Kommission beendet werden”, sagt Giulia Messmer, Sprecherin von Sea-Watch.
Die Unterstützung für zivile Seenotrettung bleibt stark: Zehntausende engagieren sich, spenden und ermöglichen so Rettungseinsätze. Das Bündnis United4Rescue mit fast 1.000 Mitgliedsorganisationen steht exemplarisch für diesen Rückhalt in der Zivilgesellschaft. Ebenso wichtig sind Gruppen wie Refugees in Libya, die sich für die Rechte von Flüchtenden einsetzen und Menschenrechtsverletzungen dokumentieren, oder das Alarm Phone, das seit über zehn Jahren eine Notruf-Hotline für Menschen in Seenot betreibt. Beide nahmen – stellvertretend für viele weitere – an der Pressekonferenz teil und machen deutlich: Wenn Staaten versagen, versucht die Zivilgesellschaft einzuspringen – auch wenn sie eine politische Lösung nicht ersetzen kann.
Als eine menschenrechtskonforme europäische Lösung stellten die Organisationen das Rettungskonzept Mare Solidalevor. Es skizziert den rechtlichen Rahmen, schlägt konkrete Mechanismen für eine koordinierte EU-Seenotrettung vor und legt eine realistische Kostenabschätzung vor. Die Botschaft ist klar: Die EU könnte das Sterben im Mittelmeer beenden – wenn der politische Wille vorhanden wäre.
Die Organisationen fordern von der Bundesregierung ein klares Bekenntnis zur Seenotrettung als humanitäre und rechtliche Pflicht. Deutschland soll sich in der EU für ein staatlich koordiniertes, voll finanziertes Rettungsprogramm im Mittelmeer einsetzen. Die Kooperation mit autoritären Regimen wie Tunesien und Libyen im Bereich Grenzschutz muss beendet werden. Tunesien darf angesichts systematischer Gewalt, fehlendem Asylschutz und politischer Repression nicht als sicheres Herkunfts- oder Drittland eingestuft werden.