Nach einer komplexen Rettungsaktion der Sea-Watch 3 in internationalen Gewässern vergangen Samstag, berichten Überlebende von mehreren Versuchen, Libyen mit dem Boot zu verlassen und von entsetzlichen Zuständen dort. Dem zuvor gegangen war, dass die Libysche Küstenwache, welche ebenfalls im Auftrag der italienischen Behörden vor Ort war zum Ausdruck brachte, alle 94 Insassen des Bootes zurück nach Libyen bringen zu wollen. Dies verursachte Chaos und Panik, Menschen sprangen vom Gummiboot ins Wasser. Die Anwesenheit des libyschen Schiffes vor Ort mit der erklärten Absicht, Menschen gewaltsam zurückzubringen, gefährdete die gesamte Rettungsaktion und brachte Leben in Gefahr. Höchstwahrscheinlich wären Personen ertrunken, wenn die Crew der Sea-Watch 3 es nicht geschafft hätte, vor Eintreffen der Libyer Rettungswesten an alle zu verteilen.
Darüber hinaus musste unser SAR-Flugzeug Moonbird am Dienstag eine weitere illegale Rückführung bezeugen. Sea-Watch verurteilt die Praxis eklatanter Verletzungen der Genfer Flüchtlingskonvention (Art.33: Verbot des „Refoulements“), im Auftrag der Europäischen Union aufs Schärfste.
Die Rettung am Samstag fand 65 Seemeilen nördlich der libyschen Küste statt. Unser Schiff Sea-Watch 3 war vom Koordinationszentrum (MRCC) in Rom mit dem Fall betraut worden, wurde dann aber informiert, dass die Libyer das Kommando übernehmen würden. Als das Schiff der so genannten libyschen Küstenwache versuchte, die Menschen an Bord zu nehmen, geriet die Situation außer Kontrolle. Die Leute sprangen ins Wasser und riefen „No Libya“. Zum Glück hatte die Besatzung der Sea-Watch 3 es geschafft, zuvor alle mit Schwimmwesten auszurüsten. Als das libysche Schiff seine Unfähigkeit mit der Situation fertig zu werden erkannte, baten die Libyer die Sea-Watch 3 um Hilfe, und unsere Crew konnte endlich alle Menschen an Bord nehmen. „Es ist äußerst frustrierend zu sehen, wie die europäischen Behörden die Situation auf See eskalieren, indem sie die so genannte libysche Küstenwache ermutigen, Menschen zurückzuführen, auch wenn sie wissen, dass die Menschen dort Misshandlungen ausgesetzt sind und dass Rückführungen gegen das Völkerrecht verstoßen“, sagt Pia Klemp, Kapitänin der Sea-Watch 3.
Viele der geretteten Personen berichten, dass sie zuvor teils mehrfach versucht hatten, aus Libyen zu fliehen, aber von der so genannten libyschen Küstenwache aufgegriffen und zurückgebracht wurden. Ein Mann aus dem Sudan erzählt er habe bereits dreimal versucht, aus Libyen zu fliehen. Zweimal wurde er zurück geschleppt und inhaftiert. Einmal konnte er fliehen, beim zweiten Mal musste sein Bruder 300$ Lösegeld zahlen. Ein anderer Überlebender eritreischer Herkunft sagte sogar, er sei an Schmuggler verkauft worden. Ein 24-jähriger Senegalese warf der Küstenwache Erpressung vor: „Als sie uns erwischt haben, gaben sie uns ein Telefon. Sie sagten, wir sollen unsere Familie anrufen. Wenn sie Geld haben, zahlen Sie. Wenn sie es nicht tun, wirst du dort leiden.“,sagt er. „Sie helfen dir nicht und du wirst dort im Gefängnis sterben.“
Ein weiterer Vorfall ereignete sich am Dienstag, als Sea-Watch Zeuge einer anderen Rückführung wurde. Unser Aufklärungsflugzeug Moonbird wurde vom MRCC Rom beauftragt, ein Boot in Seenot nördlich von al-Khums zu suchen. Das Boot wurde 33,5 Seemeilen vor der Küste und damit in internationalen Gewässern gefunden.
Vor Ort war auch ein italienischer Militärhubschrauber, der von Moonbird gebeten wurde, sein Mutterschiff, das sich in der Nähe befand, zur Rettung aufzufordern. Später tauchte ein libysches Schiff auf und übernahm die Rettung, mit der Absicht, die Menschen nach Libyen zurückzubringen. Moonbird informierte den Hubschrauber via UKW über diesen Gesetzesbruch, dennoch wurden die Menschen nach Libyen zurückgebracht. Dies geschah, obwohl ein italienisches Gericht erst letzte Woche entschieden hat, dass es in Libyen keinen sicheren Hafen gibt und obwohl ein Schiff verfügbar gewesen wäre, das sie in einen sicheren Hafen hätte bringen können, der allen geltenden Gesetzen entspricht.
„Die gesamte europäische Strategie, die so genannte libysche Küstenwache als Türsteher für die Festung Europa einzusetzen, um die Verletzung des Völkerrechts zu erleichtern, ist ein Skandal, da hier für die EU die Migrationskontrolle Vorrang vor der Rettung von Menschenleben hat“, sagt Sea-Watch Vorstand Johannes Bayer. „Die letzte Woche hat erneut gezeigt, dass die europäischen Behörden versuchen, Migration mit allen Mitteln zu stoppen, obwohl sie genau wissen, dass ihre Handlungen den Menschen ungeheures Leid zufügen und ihnen ihre Grundrechte schlicht verweigert werden. Deshalb werden wir weiterhin Beweise an Bord unserer Schiffe im zentralen Mittelmeer sammeln und versuchen, die europäischen Behörden für ihre Mitschuld an zahlreichen Menschenrechtsverletzungen zur Rechenschaft zu ziehen.“
Videomaterial der Rettung durch Sea-Watch 3:
https://www.dropbox.com/sh/dxyjl1krbcbykre/AABiwgqc8KnbDAF3DFsbQQgja?dl=0
Fotos des Pull Backs, beobachtet von der Moonbird:
https://www.dropbox.com/sh/0cngalmv0za2jr8/AABSsJHJFcXlzmnaBbzU4XYNa?dl=0
Fotos der Rettung: