Ein Leichnam, der gestern vom zivilen Überwachungsflugzeug Colibri gesichtet wurde, deutet auf ein erneutes Schiffsunglück im zentralen Mittelmeer hin. Das Fehlen geeigneter Rettungsmittel und die Blockade der zivilen Rettungsflotte machen das zentrale Mittelmeer zu einer tödlichen Blackbox: Mehrere Schiffbrüche ereigneten sich bereits, da Malta Rettungsschiffe daran hindert, ihre Aufgabe zu erfüllen. Ein Schiffsunglück wurde Anfang September nur deshalb öffentlich, weil MSF Überlebende befragte, die zuvor von der sogenannten Libyschen Küstenwache gerettet wurden. Nun deutet eine Leiche, die von der Flugzeugbesatzung von Sea-Watch und der französischen NGO Pilotes Volontaires entdeckt wurde, wahrscheinlich auf einen weiteren Schiffbruch hin.
Die Überquerung des zentralen Mittelmeers ist nach offiziellen Angaben der IOM bereits die tödlichste Fluchtroute der Welt, aber die tatsächliche Zahl der Todesopfer könnte viel höher sein, wie die traurige Entdeckung von gestern zeigt.
Der schwimmende Leichnam wurde nördlich der libyschen Stadt Zuwarah an der Position 33°32’N012°38’E gefunden. Die Strände bei Zuwarah sind für Flüchtende oft Ausgangspunkt ihres Versuches, die europäische Außengrenze auf dem Seeweg zu überwinden, da es keine sicheren und legalen Fluchtwege gibt. Auch wenn sich kein einziges Rettungsschiff mehr im Einsatz befindet, versuchen die Menschen weiterhin, den Bedingungen in Libyen zu entkommen, wie es die jüngsten Missionen des zivilen Suchflugzeugs Colibri zeigen.
„Während Herr Muscat Bilder von süßen geretteten Hunden twittert, ist das die Realität auf See, die er verstecken will, indem er zivile Rettungskräfte daran hindert, ihre Arbeit zu verrichten„, sagt Tamino Böhm, Leiter der Luftaufklärung bei Sea-Watch, der an Bord des Colibri-Flugzeugs war, als die Leiche gefunden wurde. „Die gestrige traurige Entdeckung ist besonders beunruhigend, da sie zeigt, dass die Zahl der Todesopfer im Mittelmeer tatsächlich viel höher sein könnte, als es die offiziellen Zahlen vermuten lassen„, sagt Böhm. „Es ist ein Skandal, dass die europäischen Behörden das Mittelmeer in eine tödliche Blackbox verwandeln, indem sie Rettungen durch zivile Seenotrettung verhindern. Umso wichtiger ist unsere Rolle, Zeugen aus der Luft dessen zu sein, was sich an den europäischen Außengrenzen abspielt.“
Sea-Watch fordert Malta und die Europäische Union auf, eine nachhaltige Lösung für Seenotrettung im Mittelmeer zu finden, und Malta, der Rettungsflotte unverzüglich ihren Einsatz zu ermöglichen. Tragödien wie diese müssen verhindert werden.