Am 8. Mai haben wir 190 Menschen gerettet – von zwei überfüllten Booten in Seenot. Zunächst wiesen uns italienische Behörden den Hafen von Civitavecchia zu – viermal so weit entfernt wie der nächstgelegenen Hafen Lampedusa. Eine unnötig lange und belastende Route, die wir unseren 190 geretteten Gästen nicht zumuten wollten. Doch unser Anfrage auf einen näher gelegenen Hafen wurde nicht nur abgelehnt – er wurde mit weiterer politischer Schikane beantwortet: Statt nach Civitavecchia sollten wir nun sogar noch weiter fahren – nach Marina di Carrara, rund 240 Kilometer zusätzlich.
Die gemeinsame Zeit an Bord ermöglichte uns, die Menschen bestmöglich auf ihren bevorstehenden Weg vorzubereiten. Wir versorgten unsere 190 Gäste mit Essen, klärten sie über ihre Rechte auf und gaben unser Bestes, einen Ort der Ruhe und Sicherheit für sie zu schaffen.
Es blieb ihnen sogar Zeit für Selfcare – eine Sache, die auf der Flucht normalerweise keinen Platz findet. So eröffneten einige von ihnen auf dem hinteren Teil der Sea-Watch 5, der sogenannten „Blue Lagoon“, einen Friseursalon und kümmerten sich umeinander.



Nach über 3 Tagen gemeinsam auf der Sea-Watch 5 konnten unsere Gäste am Abend des 11. Mai in Marina di Carrara anlanden. Sie konnten durchatmen, sich ausruhen und neue Kräfte für ihren weiteren Kampf um Freiheit sammeln. Die Erleichterung, an Land gehen zu können, war groß und wir wünschen allen 190 Überlebenden viel Kraft und Glück für ihre Zukunft!
Wer Zeit schindet, trägt Schuld an den Toten
Während wir hunderte Kilometer übers Mittelmeer geschickt worden sind, haben am Samstag, den 10. Mai zwei Kinder und eine weitere Person ihr Leben auf einem Boot in Seenot verloren. Unsere Freund:innen von RESQSHIP konnten die beiden Kleinkinder nur noch Tod bergen. Trotz Wiederbelebungsmaßnahmen starb eine weitere Person an Bord des Rettungsschiffs Nadir. „Das Boot hatte Zawiyah (Libyen) drei Tage zuvor verlassen. Am 2. Tag fiel der Motor aus. Mehr als 24 Stunden lang waren die Menschen an Bord der Sonne, dem Wind und den Wellen ausgesetzt und saßen in einem ätzenden Gemisch aus Meerwasser und Treibstoff, ohne ausreichend Trinkwasser. Unter ihnen befanden sich zwei Säuglinge und vier Kinder.“ Mit unserem neuen Flugzeug, der Seabird 3, dokumentierten wir die Situation von der Luft aus und leisteten so gut wir konnten Unterstützung.
Eins wissen wir: Diese Tragödie wäre vermeidbar gewesen. Doch statt in Rettung investiert die EU in Überwachung und Abschreckung, schiebt die Verantwortung ab und verzögert systematisch die Hilfe. Statt unsere Rettungsschiffe effektiv einzusetzen, behindern die Behörden gezielt unsere Arbeit.
Wir brauchen offene und sichere Fluchtwege, sofort!