Am heutigen Donnerstag entscheidet der Bundestag über das „Rückführungsverbesserungsgesetz“, das Abschiebemaßnahmen verschärft und die Rechte von Schutzsuchenden massiv einschränkt. Durch eine Änderung des §96 Aufenthaltsgesetz könnte humanitäre Hilfe künftig mit bis zu 10 Jahren Gefängnis bestraft werden. Neue Rechtsgutachen befürchten, dass auch Strafverfolgung für Seenotrettungsorganisationen bei der Rettung Minderjähriger droht.
Der vom Bundesinnenministerium vorgelegte Gesetzentwurf sieht vor, dass auch uneigennützige Hilfe für Flüchtende strafbar sein soll. Aufgrund zivilgesellschaftlichen Protests wurde der Vorschlag durch den Zusatz “über den Landweg” abgeändert, um die Kriminalisierung ziviler Seenotrettung zu verhindern. Zwei neue Rechtsgutachten warnen nun allerdings, dass durch den Änderungsvorschlag zwar volljährige Personen straffrei gerettet werden dürften, jedoch ausgerechnet die Seenotrettung unbegleiteter Minderjähriger jetzt strafbar werden könnte.
Auch Menschenrechtsverteidiger:innen, humanitäre Organisationen und Geflüchtete selbst sind weiter betroffen, da nach aktuellem Entwurf Solidarität mit flüchtenden Menschen an Land kriminalisiert wird. Wer beispielsweise Schutzsuchenden an den Außengrenzen Grundbedürfnisse wie Nahrungsmittel, Schlafplätze und medizinische Versorgung zur Verfügung stellt, dem drohen dafür in Deutschland künftig bis zu 10 Jahre Haft.
Menschenrechtsorganisationen fordern mit einer gemeinsamen Aktion am heutigen Abstimmungstag deshalb das Parlament auf, die Gesetzesänderung abzulehnen.
“Im Gegensatz zur AfD braucht die Bundesregierung kein Geheimtreffen, um die massenhafte Entrechtung von Menschen zu diskutieren, sie schlägt das einfach als Gesetz vor. Die Rettung von Kindern aus Seenot und das Sichern von Grundbedürfnissen an den Grenzen mit Haft zu bedrohen ist einfach nur niederträchtig. Abgeordnete, denen Menschenrechte noch etwas wert sind und die sich nicht von der AfD vor sich hertreiben lassen, müssen gegen die Gesetzesänderung stimmen. Solidarität darf nicht unter Strafe gestellt werden, weder auf See noch an Land”, sagt Oliver Kulikowski, Sprecher von Sea-Watch.
Carolin Selig vom Verein ROSA e.V.: “Zivilgesellschaftliche Organisationen versuchen mit ihrer Arbeit aufzufangen, was die EU mit ihrer menschenunwürdigen Abschottungspolitik verursacht. Unsere Arbeit jetzt noch zu erschweren und sogar zu kriminalisieren ist mehr als zynisch. Es wird das Leid auf Fluchtrouten sehenden Auges verschlimmern”.
Die Organisation frachcollective, die an der EU-Außengrenze auf dem Balkan geflüchtete Menschen unterstützt, ergänzt: „Eine Gesetzesverschärfung von Paragraf 96 bedeutet schon heute eine akute Gefährdung für alle, die sich solidarisch mit Menschen auf der Flucht zeigen. Gerät ein solches Gesetz zukünftig aber in die Hände noch weiter rechts stehender Regierungen, wollen wir uns die Folgen gar nicht vorstellen. Wir müssen die Kriminalisierung von Flucht und allen, die solidarisch sind, verhindern!“
Mit ihrer Forderung stehen die Organisationen nicht alleine: Über 135.000 Menschen haben eine an Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und alle demokratischen Bundestagsabgeordneten gerichtete Petition unterzeichnet. Die Unterschriften wurden am vergangenen Montag vor dem Bundestag an einen Vertreter des Innenausschusses übergeben.