Eine Koalition von Seenotrettungsorganisationen ist bereit, sich dem Strafprozess zum Schiffsunglück von Cutro anzuschließen und als Nebenklägerinnen aufzutreten. Bei der Katastrophe vor der Küste Kalabriens kamen mindestens 94 Menschen ums Leben, 80 überlebten, und eine unbekannte Zahl wird weiterhin vermisst. Es war eines der schwersten Schiffsunglücke in der jüngeren Geschichte Italiens.
Im Prozess werden sechs Beamt*innen der italienischen Küstenwache (Guardia di Costiera) und Finanzpolizei (Guardia di Finanza) von der italienischen Staatsanwaltschaft der fahrlässigen Herbeiführung eines Schiffbruchs und des mehrfachen Totschlags angeklagt.
Das Bündnis erklärt: „Das wiederholte Versagen, rechtzeitig Rettungseinsätze einzuleiten, sind keine Unfälle – es ist kalkulierte Fahrlässigkeit. Italienische Behörden ignorieren systematisch ihre Pflicht zur Rettung. Doch der tödliche Kreislauf der Straflosigkeit muss jetzt enden. Menschen in Machtpositionen dürfen nicht länger der Gerechtigkeit entkommen, während Menschen auf See ertrinken.”
Der Prozess stellt eine entscheidende Chance dar, den Kreislauf der Straflosigkeit für Verstöße gegen das Seerecht und die Menschenrechte durch staatliche Akteure zu durchbrechen. Die im Mittelmeer aktiven Seenotrettungsorganisationen haben die wiederholten Versäumnisse bei der rechtzeitigen Einleitung von Rettungseinsätzen, die zu vermeidbaren Todesfällen führen, ausführlich dokumentiert. Das Bündnis betont daher, dass die Untersuchungen nicht bei rangniedrigeren Beamt*innen enden dürfen – jede verantwortliche Handlung, einschließlich der von höherer Stelle, muss geprüft werden.
EMERGENCY, Louise Michel, Mediterranea Saving Humans, Sea-Watch, SOS Humanity und SOS MEDITERRANEE setzen sich dafür ein, die Familien der Opfer zu unterstützen, ihr Fachwissen in den Prozess einzubringen und sicherzustellen, dass Gerechtigkeit gewahrt wird.
Das Bündnis ruft dazu auf, die Kriminalisierung von Menschen auf der Flucht und die bewusste Unterlassung von Rettungseinsätzen sofort zu beenden. Ein entschlossenes Bekenntnis zur Einhaltung des internationalen Seerechts und der Menschenrechte muss die Grundlage aller politischen Entscheidungen sein.