„Rettest Du ein Leben, dann rettest Du die ganze Welt“
Sea-Watch hat seit Juni 2015 ungefähr 27.000 Menschen das Leben gerettet. Jeder einzelne Mensch war es wert, den Aufwand zu betreiben, der von vielen Freiwilligen getragen wurde. Besonders dieses Jahr wird es jedoch immer schwieriger, unseren humanitären Auftrag zu erfüllen. Das Bürgerkriegsland Libyen soll verschlossen und Flucht unmöglich gemacht werden. Ein deutscher Innenminister befürwortet den Bruch des Völkerrechts, indem er das Rückführen von geflüchteten Menschen in ein Land gutheißt, wo ihnen Folter und Sklaverei drohen [1]. Europäische Kriegsschiffe patrouillieren in libyschen Gewässern, um Menschen von der Flucht abzuhalten und sie in ihr Elend zurück zu werfen [2].
Besonders in den letzten Tagen eskalierte die Situation. So sollte Sea-Watch einen sogenannten Verhaltenskodex der italienischen Regierung unterzeichnen, den der wissenschaftliche Dienst des Bundestages als rechtswidrig einschätzt [3]. Da wir das rechtswidrige Dokument bisher nicht unterzeichneten [4], wurde uns mit Konsequenzen seitens Italiens gedroht.
Die EU-unterstützte libysche Küstenwache und Marine drohen ganz offen militärisch gegen NGO-Schiffe vorzugehen, in einer Search and Rescue Zone, welche Tripoli zuvor ausgerufen hatte. Dies bedeutet eine willkürliche und illegale Erweiterung libyscher Hoheitsgewässer. Europäische Politiker*innen klatschen diesem groben Bruch internationalen Rechts Beifall.
Es sind entsetzliche Zeiten, wenn nicht das Sterbenlassen, sondern das Retten von Menschenleben als bedrohlich und rechtswidrig angesehen wird. Es ist ein Skandal, dass ein europäischer Staatenbund und seine Mitgliedsstaaten nicht nur selbst nicht ausreichend retten, sondern eben jene Rettung auch noch mit allen Kräften unmöglich machen und bekämpfen lassen.
Unser Handlungsspielraum wird immer kleiner. Gegenwärtig bereiten wir die Sea-Watch 3 für den Rettungseinsatz vor, und wollten damit in wenigen Wochen auslaufen. Inwieweit wir unter den verschärften Bedingungen tatsächlich noch unseren humanitären Auftrag erfüllen können, ist derzeit mehr als fraglich. Wir werden genau prüfen, ob die Sicherheit unserer Crew gegeben ist, und ob wir unter diesen Bedingungen überhaupt noch operieren können.
Die Bundesregierung darf es nicht ignorieren, dass eine durch sie unterstützte Miliz öffentlich die Absicht äußert, das Völkerrecht zu brechen und Gewalt gegen Rettungsorganisationen auszuüben. Wir fordern eine Stellungnahme. Mindestens muss die Kooperation mit der Libyschen Küstenwache solange auf Eis gelegt werden, bis diese ihre Drohungen gegen Seenotrettungsorganisationen zurücknimmt und sich dazu bereit erklärt, sich an das international gültige Seerecht und die Genfer Konventionen zu halten. Menschenrechte gelten für alle Menschen, egal wo und egal welcher Hautfarbe und Herkunft.
Wir setzen uns auch weiterhin für die Seenotrettung und sichere Einreisewege von Menschen auf der Flucht in die Europäische Union ein. Kein Mensch sollte in Seenot sterben müssen. Flucht ist kein Verbrechen.
Vorstand und Geschäftsführung Sea-Watch e.V.