Die neue Bundesregierung ist heute den ersten Tag im Amt, sie muss sich entscheiden: Menschenrechte oder Migrationsabwehr. Wir müssen in Europa endlich den Preis benennen, den wir zahlen, wenn wir unsere Grenzen schließen wollen. Die vergangene Bundesregierung hat das nicht getan: Sie hat den systematischen Bruch des Völkerrechts an die sogenannte Libysche Küstenwache ausgelagert und so getan, als ginge uns das nichts an.
Was sich in den Folterlagern Libyens und auf den Schlauchbooten im Mittelmeer abspielt, ist in Wahrheit aber europäische Innenpolitik. Im vergangenen Superwahljahr 2017 wurde aus Angst vor dem Rechtsruck eine dringend nötige Debatte über ein europäisches Migrationsrecht vermieden, das diesen Namen verdient. Stattdessen hat Europa versucht, die zentrale Mittelmeerroute um jeden Preis zu schließen, das Recht auf Flucht wurde massenhaft verweigert.
Die Bundesregierung hat gestern auf die Verfassung geschworen, Rechtsverletzungen einfach an Dritte, wie die Libysche Küstenwache auszulagern, ist ein fauler Trick. Wir fordern die Bundesregierung auf völkerrechtswidrige Rückführungen nicht weiter zu unterstützen.
„Jeder Mensch hat das Recht, jedes Land zu jeder Zeit zu verlassen.“
So steht es in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte. Die Kooperation mit der sogenannte Libyschen Küstenwache zielt allerdings genau darauf ab: Menschen daran zu hindern, ein Bürgerkriegsland zu verlassen. Zwar kann Europa durch restriktive Asylgesetze durchsetzen, dass viele derer, die über das Mittelmeer kommen, nicht bleiben dürfen, sie jedoch an der Ausreise aus einem Bürgerkriegsland zu hindern ist schlicht illegal. Dieses Vorgehen gefährdet dabei nicht nur Schutzsuchende auf der Flucht aus Libyen, sondern auch uns hier in Deutschland, denn wenn Grundrechte wie hier auf dem Mittelmeer zur Verhandlungsmasse verkommen, ist die Demokratie in Gefahr.