Am Freitag war die Sea-Watch 3 an der Rettung von mehr als 400 Personen von drei Schlauchbooten in Seenot beteiligt. Einmal mehr gefährdete die EU-finanzierte, sogenannte Libyschen Küstenwache (LYCG) die Rettungsaktion und stürzte eine kontrollierbare Rettungssituation in ein tödliches Chaos.
Mit bereits 157 Menschen aus einer vorangegangenen Rettungsaktion an Bord, startete die Sea-Watch 3 am Morgen in einen Doppeleinsatz mit zwei Schlauchbooten, die zusammen über 300 Passagiere trugen. Als ein Schnellboot der LYCG auftauchte und versuchte die Rettungsaktion zu übernehmen, brach auf einem Schlauchboot Panik aus und eine größere Gruppe Flüchtender sprang, aus Angst, von den Libyern entführt und zurückgeschleppt zu werden, auf ein Rettungsfloß und ins Wasser. Die katastrophalsten Konsequenzen konnten, dank dem Rückzug des libyschen Bootes und dem schnellen Eingreifen unseres Rettungsteams verhindert werden. Nach unserer ersten Einschätzung vom Freitag kam bei dem Vorfall, wie durch ein Wunder, niemand ums Leben. Nun, vier Tage später, müssen wir uns damit abfinden, dass diese Einschätzung falsch, dieses Wunder keins gewesen sein könnte. Durch eine Umfrage unter den Geretteten fanden wir heraus, dass seit diesem Tag fünf Menschen vermisst werden.
Wir sind tief betroffen und trauern, denn Vermisst auf See bedeutet beinahe sicher tot. Und die Verluste dieses Tages könnten noch über fünf Seelen hinausgehen.
Als wir einen der Zeugen fragten, warum er uns nicht von sich aus von dem Verlust berichtet hatte, antwortete er: „Der Tod war überall in Libyen, wir haben miterlebt, wie unseren Freunden direkt neben uns in den Kopf geschossen wurden… Menschen zu verlieren ist für uns Alltag, daher dachten wir nicht, dass das wichtig sei.“
Es mag nicht das Anliegen der sogenannten Libyschen Küstenwache sein, den Tod von Menschen zu verursachen. Doch es ist ihr Anliegen, sie völkerrechtswidrig in das Land zurückzubringen, aus dem sie gerade geflohen waren. Das ist es, was die Menschen auf den Booten am meisten fürchten – sogar mehr als einen nassen Tod, wie viele uns sagen. Das war wiederholt der Auslöser für Panik und Verluste an Menschenleben. Und das muss aufhören. Niemand sollte auf See sterben müssen.