CADUS / Sea-Watch verurteilen die Abschiebungen von Griechenland in die Türkei, die im Zuge des EU-Türkei-Deals seit heute morgen, ausgehend von unserem Operationsgebiet Lesbos durchgeführt werden. Wir verurteilen zudem scharf die Pushback Aktionen, welche von der türkischen Küstenwache durchgeführt werden, denn immer wieder kommt es dabei zu Gewalt gegen Flüchtende. Das aktuelle Abkommen zwingt Flüchtende auf immer gefährlichere Routen und ist in erster Linie ein Konjunkturpaket für Schlepper. Immer wieder kommt es auch zu Toten da effektive Rettungsmaßnahmen durch zivile Retter von den Behörden verhindert werden.
Heute Morgen hat CADUS / Sea-Watch gemeinsam mit anderen SAR Gruppen im Hafen von Lesbos Hauptstadt Mytilini gegen die Abschiebungen in die Türkei demonstriert, welche dort seit heute morgen durchgeführt werden. Dies führte zu einer bizarren Situation, als unsere Crew zu einem Seenotfall ankommender Flüchtender ausrücken musste, während andere zur selben Zeit mit einer Fähre abgeschoben wurden. „Die Menschen fliehen vor Krieg und anderen Bedrohungen in ihre
n Herkunftsländern. Es wäre töricht zu glauben, dass Zäune und Abschiebungen sie stoppen könnten“, sagt CADUS / Sea-Watch Projektleiter Sebastian Jünemann.
„Der EU-Türkeideal ist ein Armutszeugnis für die Europäische Union, die mit Abschottung auf den Druck einer rechtspopulistischen Minderheit reagiert. Die europäischen Regierungen und die Zivilgesellschaft müssen sich der Herausforderung stellen und eine echte Lösung finden, anstatt ihre Tore für Menschen in Not zu verschließen. Was wir brauchen sind Fähren für eine safe Passage anstatt für Abschiebungen“, sagt Jünemann, der gerade aus dem Einsatzgebiet zurückkommt. „Heute hat sich deutlich gezeigt, warum der Deal nicht funktionieren wird. Die Menschen riskieren immer noch ihr Leben auf Schlauchbooten, während andere abgeschoben werden – sie kommen und sie werden weiter kommen, da sie keine anderen Perspektiven haben. Der Deal wird sie lediglich zwingen, noch mehr Risiken in Kauf zu nehmen. Der Deal ist nichts anderes als ein Konjunkturpaket für Schlepper. Seit das Abkommen in Kraft getreten ist, hatten wir oft sehr gefährliche Einsätze bei Nacht, da Schmuggler die Menschen im unwegsamen Gelände absetzen, um nicht geschnappt zu werden,“ so Jünemann.
„Besonders problematisch sind vor allem auch die Pushbacks seitens der Türkischen Küstenwache, unter dem Druck des jüngsten Abkommens. Oftmals schreckt sie dabei nicht einmal vor Gewalt gegen Menschen auf der Flucht zurück. Es sind Fälle dokumentiert, in denen von der türkischen Küstenwache mit Holzstangen auf Flüchtende eingedroschen wird, außerdem konnten unsere Crews einige Male beobachten, wiedie türkische Küstenwache mit Wasserkanonen auf Flüchtlingsboote los ging“, sagt Jünemann. „Im Auftrag der Friedensnobelpreisträgerin EU werden hier fast täglich Menschenrechte verletzt. Die türkische Küstenwache nimmt dabei auch Tote in Kauf, da die Behörden eine effektive Seenotrettung mit Unterstützung durch zivile Gruppen wie CADUS / Sea-Watch behindern.“
„In der letzten Nacht vor Inkrafttreten des Abkommens zwischen der Türkei und Griechenland am 20. März, sind weitere zwei Menschen bei einem Bootsunglück vor der türkischen Küste ums Leben gekommen,in Zwanzigjähriger und sein vier Jahre alter Sohn. Die türkische Küstenwache hat dabei Versuche von zwei SAR-Teams, darunter CADUS / Sea-Watch, die Rettungsmaßnahmen zu unterstützen, gestoppt“, sagt CADUS / Sea-Watch Rechtsberaterin Giorgia Linardi. „Bevor Einheiten der türkischen Küstenwache den Unfallort erreicht hatten, wurde unseren Rettungsteams wiederholt verboten, die Seegrenze zu überschreiten. Unsere Crew berichtete, dass die türkische Küstenwache die Verantwortung für den Fall übernommen und verweigert habe, ihn als Seenotfall zu klassifizieren. Somit hat die Küstenwache den Rettungsteams die sogenannte “Duty to Rescue” (Pflicht zu Retten) genommen, dies ist eine international anerkannte Verpflichtung und ein wichtiger Grundsatz menschlicher Solidarität auf See”, erklärt Linardi.
„Direkt an den europäischen Außengrenzen wurde das Recht auf Leben willkürlich verweigert sowie die Pflicht, im Seenotfall zu helfen, bewusst ausgehebelt. Die Seegrenze zwischen Griechenland und der Türkei ist zum Symbol für die wiederholte Verletzung von grundlegenden Menschenrechten geworden. Es ist ein Ort, wo eine gedachte Linie im Wasser darüber entscheidet, wer leben darf und wer nicht“, sagt Linardi.
„Es ist schrecklich, dass Menschen, die nach einem besseren, sichereren Leben suchen, auf See sterben. Es ist unmenschlich, Rettung zu verhindern. Diese Menschen sind in Folge politischer Strategien gestorben. Und wir befürchten, dass sich solche Ereignisse im Zuge der jüngsten politischen Entscheidungen häufen werden. Die Abschiebungen heute sind ein weiterer Schritt weg von Humanität“, sagt CADUS / Sea-Watch Projektleiter Sebastian Jünemann.
Sea-Watch und CADUS sind NGOs, die seit März 2016 gemeinsam vor Lesbos operieren und Rettungseinsätze für Flüchtende in Seenot durchführen.