Geschrieben von Harald Höppner
Mit der Hilfe von vielen engagierten Helfern haben wir es innerhalb von 10 Monaten geschafft, eine Idee in die Tat umzusetzen: Wir haben in Holland ein Schiff gekauft, dieses mühsam in Hamburg umgebaut, es dann um ganz Europa herum bis nach Lampedusa gefahren, um von dort bis an die libyschen Hoheitsgewässer in 7 Einsätzen insgesamt 2.000 Menschen zu retten.
Es war für mich und alle anderen eine der größten Herausforderung des Lebens und wir mussten mühsam viele Klippen umschiffen und uns gegen Besserwisser und Schlechtmacher behaupten. Am Ende siegte das Gute und wir haben bewiesen, dass es auch mit einfachen Mitteln möglich ist, Menschenleben zu retten. Als wir losfuhren, hätte ich gerne gute EU-Flüchtlingsarbeit dokumentiert, aber wir mussten feststellen, dass die Rettungsarbeiten hauptsächlich von der italienischen Küstenwache, Ärzte ohne Grenzen, Moas und uns durchgeführt wurden. Die vielen Kriegsschiffe von Eunavor, Triton und Frontex sahen wir selten bzw. gar nicht bei den Such- & Rettungseinsätzen.
Einsatzbericht der Crew 7
Ich möchte Euch als Mitbegründer und Teilnehmer der letzten Ausfahrt der Saison 2015 gerne einen Abschlussbericht geben.
Start am 17. September
Als wir am 17. September losgefahren sind, konnten wir schon die Herbstlaunen des Wetters vor Lampedusa spüren. Stetiger Wechsel von Wind & Welle gehört zur Jahreszeit und bestimmt auch den Flüchtlingsstrom übers Mittelmeer. Wir fuhren los, als sich das Wetter besserte und kamen 30 Stunden später im Zielgebiet an. Schon am ersten Nachmittag sahen wir dunkle Rauchwolken am Himmel. Sie stammten von abgebrannten Flüchtlingsbooten, die manchmal vom Militär nach einer Rettung verbrannt werden. Wir wussten daher sofort, hier sind wir richtig.
Einsätze am 19. September
Am nächsten Morgen um 5 Uhr bekamen wir auch schon den ersten Anruf vom MRCC Rome mit der Position eines Flüchtlingsbootes, welches wir dann ansteuerten.
Kurz nach Sonnenaufgang entdeckten wir es, fuhren mit unserem Beiboot hin und versorgten die Flüchtlinge, die sich in einem guten Zustand befanden, mit Rettungswesten.
Ca. 1,5 Stunden später kam die Phönix von MOAS und nahm die Flüchtlinge an Bord. Kaum hatten wir die Rettungswesten wieder von der Phönix zurückbekommen, kam der nächste Notruf, ca. 5 sm weiter entfernt. Wir machten wieder das RIB klar und fuhren sofort los. Leider waren die Flüchtlinge in diesem Schlauchboot in einer wesentlich schlechteren Verfassung, da sie zu der Zeit bereits seit über 30 Stunden auf dem Meer trieben und 2 Nächte alleine auf dem Meer verbrachten. Zahlreiche Personen waren dehydriert und kurz vorm Umkippen.
Glücklicherweise hatte sich auch die italienische Küstenwache auf den Weg gemacht und traf kurze Zeit später ein, nachdem wir bereits die Migranten mit Schwimmwesten und Trinkwasser versorgt hatten.
Um das Boot zu stabilisieren, haben wir die Migranten dazu aufgefordert, die Benzinkanister über Bord zu geben, um das Schiff von Gewicht zu entlasten, welches schon deutlich an Luft verloren hatte. In diesem Zustand hätten die Menschen die nächsten 12 Stunden wohl nicht überstanden.
Als sie von der Küstenwache abgeborgen wurden, erreichte uns der 3. Notruf an diesem Vormittag. Das Beiboot startete sofort zu dem 8 Seemeilen entfernten Zielpunkt. Nach 20 Minuten bekamen wir über Funk die Nachricht von unserem Beiboot, dass es sich bei dem gesichteten Objekt um ein bereits gesunkenes und zuvor evakuiertes Flüchtlingsboot handelt.
Wir packten danach wieder alles aufs Schiff und verbrachten den Rest des Tages mit der Suche nach weiteren Booten, fanden aber keine.
20. September
Am nächsten Tag verschlechterte sich das Wetter und unsere “Sea-Watch“-Leitstelle schickte uns eine Wetterwarnung. Wir entschieden uns, umgehend einen Nothafen in Tunesien (Zarzis) anzulaufen, um dort abzuwettern. Auf dem Weg dorthin fuhren wir die ganze Zeit an der libyschen 24 Meilengrenze entlang, wo uns dann kurz nach Sonnenaufgang ein riesiges Kriegsschiff begegnete. Kurz danach kam auch gleich ein Militärhubschrauber angeflogen, der uns und die Meaalofa ausgiebig inspizierte. Einen Funkkontakt zu den Militärs gab es nicht.
Kurz bevor das Schlechtwetter begann, fuhren wir in den Hafen von Zarzis ein und wurden dort herzlich begrüßt. Wir nutzten die Zeit an Land, um Erkundigungen für einen Winterhafen für die “Sea-Watch“ einzuholen und machten Bekanntschaft mit der tunesischen Kultur. Es entstand der Wunsch, hier eventuell das Winterlager für die “Sea-Watch“ aufzuschlagen.
Nachdem Wetterbesserung in Sicht war, fuhren wir wieder in unser Suchgebiet und hatten spiegelglatte See, als wir im SAR-Gebiet eintrafen. Den ganzen folgenden Tag verbrachten wir mit der Suche, konnten aber kein Flüchtlingsboot sichten. In den folgenden Tagen meinte es das Wetter nicht so gut mit uns und wir mussten uns eine ganze Nacht durch hohe Wellen kämpfen, was einen Teil der Mannschaft ermüdete. Die Aussicht für die nächsten Tage sagte, dass es unruhig bleiben würde und wir entschlossen uns, zurück nach Lampedusa zu fahren.
Ab 25. September
Dort angekommen, haben wir die verbleibende Zeit dafür verwendet, das Schiff für den Winterhafen klar zu machen, alles Material & Rettungsequipment zu verstauen und das Basiscamp der vergangenen Monate aufzulösen.
Ein Teil der Crew nutzte schließlich ein sich auftuendes Wetterfenster, um das Schiff wieder auf die andere Seite des Mittelmeers in den Winterhafen nach Djerba zu bringen.
Unser Arzt Robel hat sich bereit erklärt, den Transporter mit dem restlichen Material zurück nach Berlin zu bringen.
Durch diese Umstände ist es uns gelungen, relativ zügig die Saison abzuschließen und alles zu einem guten Ende zu bringen.
Ich bedanke mich nochmals bei den vielen Helfern, die dieses Projekt möglich gemacht haben. Ich hoffe, dass wir nächstes Jahr mit einem seetüchtigeren Schiff wieder unsere Arbeit aufnehmen können – es sei denn, es gibt bis dahin legale Wege für die Flüchtenden nach Europa.
Wie wir im Herbst bzw. Winter aktiv bleiben werden, geben wir bald bekannt.
Harald Höppner
Bildquelle von diesem Artikel: Federica Mameli