Während die von SOS Mediterranee und Ärzte ohne Grenzen betriebene Aquarius am gestrigen Donnerstag den Hafen von Valletta nach geglückter Rettung verlassen konnte, wird das Rettungsschiff Sea-Watch 3 seit 51 Tagen am Auslaufen gehindert, obwohl alle Bedingungen des Flaggenstaates erfüllt sind und notwendige Registrierungen vorliegen. Sea-Watch fordert die maltesische Regierung auf, die politisch motivierte Blockade einsatzbereiter Rettungsmittel unverzüglich zu beenden und nicht weiter Menschenleben zu gefährden.
Obwohl wir froh sind, dass zumindest eine NGO den maltesischen Hafen Valletta verlassen darf, ist Sea-Watch nach wie vor besorgt über das systematische Vorgehen gegen die gesamte zivile Rettungsflotte. Selbst wenn alle NGOs im Einsatz wären, ein Szenario, das derzeit unwahrscheinlich erscheint, würde die Such- und Rettungskapazität aufgrund des Rückzugs der europäischen Marinemissionen und der Weigerung Italiens, die Verantwortung für die Koordinierung der Seenotrettung in diesem Gebiet zu übernehmen, auf einem alarmierenden Tiefstand bleiben. Die Sea-Watch 3 wird seit dem 02. Juli 2018 im Hafen festgehalten, obwohl bereits im Juli von Malta angeforderte, niederländische Inspektoren offiziell bestätigten, dass die Sea-Watch 3 alle Bedingungen des niederländischen Flaggenstaates erfüllt und die notwendigen Registrierungen vorliegen. Bis dato haben die maltesischen Behörden Sea-Watch nicht mitgeteilt, welche Bedingungen erfüllt sein müssen, um wieder auslaufen zu können. Pia Klemp, Kapitänin der Sea-Watch 3: „Die maltesische Regierung erfindet nebulöse Bedingungen, die durch kein internationales Gesetz oder eine Verordnung des Flaggenstaates abgedeckt sind, der bereits grünes Licht gegeben hat. Während sich die zivile Seenotrettung mit absurden Vorwürfen konfrontiert sieht, schert sich die maltesische Regierung mit Rückendeckung der Europäischen Union nicht um Recht und Gesetz. Das ist eine politische Kampagne auf dem Rücken von Menschen in Seenot.“
Johannes Bayer, Vorsitzender von Sea-Watch: „Dass sich europäische Politiker für die Aufnahme der Geretteten der Aquarius gegenseitig auf die Schulter klopfen und der maltesische Premier Muscat von einem konkreten Beispiel für europäische Führung und Solidarität spricht, ist unwürdig und zynisch, wenn um jeden Geflüchteten gefeilscht wird und zugleich einsatzbereite Rettungsschiffe davon abgehalten werden, Menschen vor dem Ertrinken zu bewahren. Dass fünf Schiffe am Bootsunglück vorbeifuhren, bevor die Aquarius die Menschen retten konnte, zeigt wohin die unverantwortliche Politik der Europäischen Union führt.“
Während der Blockade der zivilen Rettungsschiffe haben bereits mindestens 261 Menschen im Mittelmeer ihr Leben verloren, wobei die Dunkelziffer deutlich höher liegen dürfte. So hatte bspw. die spanische Rettungsorganisation Proactiva Open Arms im Juli die Leichen einer Frau und eines Kindes sowie eine Überlebende geborgen, die offenbar von der sogenannten libyschen Küstenwache in einem zerstörten Boot zurückgelassen wurden, da sie nicht nach Libyen zurückgebracht werden wollten. Johannes Bayer: „Die Blockade ziviler Rettungsschiffe bedeutet nicht nur mehr Tote im Mittelmeer. Sie dient auch dazu, sich den Zeugen der Menschenrechtsverletzungen zu entledigen, die von der sogenannten libyschen Küstenwache begangen werden, welche maßgeblich von der EU finanziert und ausgebildet wird. Dass zugleich auch die Mission unseres Aufklärungsflugzeugs Moonbird verhindert wird, bestätigt unsere Annahme.“ Die Verletzung von Menschenrechten beschränkt sich allerdings nicht auf die sogenannten libysche Küstenwache. Am 30. Juli 2018 brachte das italienische Schiff Asso Ventotto aus internationalen Gewässern Gerettete Personen zurück nach Libyen und verstieß damit gegen die Genfer Flüchtlingskonvention sowie die Europäische Menschenrechtskonvention.