Liebe Sea-Watch Freunde an Land und zu Wasser, es war soweit: Am 20.06.2015, dem Tag der Flüchtlinge, ist die “Sea-Watch“ von Lampedusa Richtung Libysche Küste zu ihrer ersten Einsatzfahrt ausgelaufen. Keine 24 Stunden später erreichte das Schiff der erste Notruf.
Insgesamt beteiligte sich die MS “Sea-Watch“ während der ersten Einsatzfahrt an drei sog. “Search and Rescue“-Operationen im Auftrag des Italienischen MRCC (Maritime Rescue Coordination Center), bei denen insgesamt über 1.000 Geflüchtete gerettet werden konnten.
Auch wenn sich der Einsatz zunächst immer weiter nach hinten verschoben hatte, sind wir sehr stolz darauf, dass wir das Projekt “Sea-Watch“ in gerade mal einem halben Jahr von der Idee bis Einsatzbeginn umsetzen konnten.
Beobachtungen und Erfahrungen beim 1. Einsatz
Die letzte Woche hat gezeigt, dass wir auf dem richtigen Kurs sind. Die MS “Sea-Watch“ ist zwar kein klassisches Rettungsschiff. Es zeigte sich jedoch, dass sie auf dem Mittelmeer eine sinnvolle und wichtige Ergänzung darstellt.
Das Schiff verfügt über sehr gute Kommunikationssysteme – z.B. eine Satellitenanlage. Dies konnten wir nutzen, um die Kommunikation zwischen dem Frachter MS Isabelle sowie der Küstenwache und der Reederei des Schiffes zu ermöglichen. So konnten wir zum reibungslosen Ablauf der Rettung von über 100 Geflüchteten an Bord der MS Isabelle beitragen.
Der Kommandant der Küstenwache auf Lampedusa zeigte sich sehr erfreut über die Tatsache, dass die “Sea-Watch“ mit einem professionellen nautischen wie medizinischen Team an Bord unterwegs ist. Sollte es zum Beispiel auf einem der Handelsschiffe, die einen Großteil der Rettungsoperationen übernehmen, zu einem medizinischen Notfall kommen, können die Mediziner der “Sea-Watch“ mit dem Schnellboot sehr schnell vor Ort sein. Somit stellt die “Sea-Watch“ auch für die Küstenwache eine wichtige Ressource dar.
Vorteil von unserem Schnellboot
Oftmals sind die Positionen, an denen ein Flüchtlingsboot gemeldet wird, sehr ungenau. Hier können wir unser Schnellboot nutzen, um Suchraster abzufahren und so ein Boot ausfindig machen. Der erste Einsatz hat gezeigt, dass die “Sea-Watch“ hier ein großes Potenzial hat, das im Rahmen der nun folgenden Einsätze ausgebaut werden soll.
Was der erste Einsatz verdeutlicht
Gleichzeitig zeigte der erste Einsatz noch einmal, dass auch die Rolle der MS “Sea-Watch“ als schwimmendes Auge auf See, eine wichtige Aufgabe darstellt. Sobald die MS “Sea-Watch“ ihren Kurs in Richtung eines Bootes in Seenot änderte, setzte sich auch die Küstenwache in Bewegung. Wir gehen davon aus, dass allein unsere Anwesenheit einen entsprechenden Handlungsdruck bei den Rettungsbehörden aufbauen kann.
Hinzu kommt die weitere Eskalation der Situation vor der Libyschen Küste durch die Europäische Union und ihren möglicherweise völkerrechtswidrigen Militäreinsatz gegen Fluchthelfer. Während unserer Einsatzfahrt waren wir das einzige zivile Hilfs-Schiff vor der Libyischen Küste, die Schiffe von „Ärzte ohne Grenzen“ sowie MOAS waren zu diesem Zeitpunkt nach Rettungseinsätzen im Hafen. Gleichzeitig ist die Situation vor Ort latent angespannt: In der Nacht zum 24.06.15 wurde die MS “Sea-Watch“ von einem Kriegsschiff, das sich nicht identifizierte, zu einer Kursänderung aufgefordert.
MS “Sea-Watch“ als Beobachter, Berichterstatter von möglichen, militärischen Operationen
Wir halten es für extrem wichtig, dass die Zivilgesellschaft – gerade vor dem Hintergrund einer möglichen militärischen Eskalation –unabhängige Berichterstatter auf dem Mittelmeer hat. Denn es geht uns nicht darum, Selbstdarstellung zu betreiben und einen „Big-Brother“-Container auf See zu errichten, wie Harald Höppner im Interview mit dem Tagesspiegel darlegt.
Es geht uns um die Situation auf dem Mittelmeer! Es geht darum, dass niemand mehr stirbt und darum, dass es endlich Wege geben muss, wie Migranten in die EU kommen können, ohne dafür ihr Leben riskieren zu müssen. Jetzt erst recht!
Wir bedanken uns sehr herzlich bei der ersten Crew, die in den Einsatz gefahren ist – ohne wirklich zu wissen, was letztendlich auf sie zukommt und wir wünschen der zweiten Crew alles Gute, Mast- und Schotbruch für den zweiten Einsatz ab Anfang Juli.