Entschuldigt die zeitliche Verzögerung – hier aber nun das Update zu Törn 6.
Im Hinblick auf die geplante Militäroperation der Bundesregierung bzw. EUNAVFOR Med., mit Waffengewalt gegen Schlepper und somit auch gegen Geflüchtete auf den Booten vorzugehen, haben wir große Bedenken.
Harald Höppner zur Bekanntgabe der eventuell bevorstehenden, in unseren Augen nicht zu verantwortenden Maßnahmen: „Die Verantwortlichen denken immer noch, dass sie Flüchtende mit Waffengewalt aufhalten könnten. Anscheinend haben die Strategen der Bundeswehr noch nicht verstanden, dass man Gummiboote mit hunderten Flüchtenden nicht einfach präventiv versenken kann. Das Geld sollte lieber dafür verwendet werden, etwas gegen die Flucht-Ursachen zu tun, für die Europa häufig mitverantwortlich ist, statt deren Symptome mit Waffengewalt zu bekämpfen. Gebt den flüchtenden Menschen legale Wege und es wird keine Schlepper-Kriminalität mehr geben.“
Der angebliche Krieg gegen die Schlepper-Organisationen stellt für Flüchtende eine massive Bedrohung dar. Was diese Situation für unser “Sea-Watch“-Projekt bedeutet? Wir wissen es nicht!
Nun aber zum Einsatzbericht.
3. September
Nachmittags am 3. September ist unsere Crew 6 unter dem erfahrenen Kapitän Hans-Peter, Inhaber einer Skipper-Schule, zum Törn 6 von Lampedusa aus ins Search-and-Rescue-Gebiet vor der Küste Libyens gestartet.
4. September
Die “Sea-Watch“ ist nach umfangreichen und leider auch nicht ganz billigen Check-ups und Refits wieder auf dem Weg dorthin, wo sie hingehört: vor die Küste Libyens. Gegen Mittag wollen wir am Freitag unseren ersten Einsatzpunkt erreichen, etwas östlicher als zunächst geplant und wegen der verspäteten Abfahrt auch nördlicher.
5. September
Die “Sea-Watch“ erhält einen Anruf von MRCC Rom: Zwei Boote befinden sich in Seenot. Unsere Crew nimmt Kurs auf Position 33° 32´ N, 13° 31´ E. Unser RIB wird abgelassen und fährt mit Rettungswesten beladen dem gemeldeten Boot entgegen.
Ein irisches Marineboot befindet sich ebenfalls auf dem Weg dorthin und trifft wenige Minuten nach uns ein. Die Mannschaft vom RIB, Bootsmann und Mediziner treffen an der Position auf zwei vollkommen überladene Boote, die nicht mehr manövrierfähig sind:
Boot 1: 120 Personen, darunter 3 Frauen und 3 Kinder
Boot 2: 100 Personen
- Funk an Mutterschiff: „Keine Besonderheiten, keine Verletzten“ – was alle (den Umständen entsprechend) aufatmen lässt. Rettungswesten werden ausgegeben. Das irische Schiff kommt hinzu, gibt ebenfalls Westen aus. Die Kommunikation und Zusammenarbeit mit den Iren läuft sehr gut.
- Weiterer Funk und die Info, dass laut Insassen drei Boote aufgebrochen sind – die Suche nach dem 3. Schiff beginnt.
- Die Iren bringen die Position des dritten Schlauchbootes in Erfahrung – Erleichterung. Es befindet sich in etwa 9 sm Entfernung.
- In dem Wissen, die 220 Personen in Sicherheit zu wissen, machen wir uns auf den Weg. Das Meer ist ruhig, es geht eine leichte Brise, wir haben gute Sicht.
- Auf dem dritten Schlauchboot befinden sich 105 Personen, 3 Frauen (eine Schwangere) und ebenfalls drei Kinder. Nach der Sicherung die abschließende Information: „We are ready, everybody is saved. Good cooperation with the irish warship and MRCC Rome.“
7. September
Morgen (8.9.) gegen späten Nachmittag/Abend zieht von Süden über Libyen ein Gewitter mit lokaler Ausprägung nach Nord. Windstärken 5 bis 6 in Zellen bis 8. Starker Regen.
Mannschaftsbesprechung an Bord, Koordination mit dem Land: Das Wetter wird vermutlich keine direkte Gefahr für das Schiff sein. Ein zu-Wasser-Lassen des Beibootes wird aber sicher nicht mehr möglich sein. Jetzt gilt es, besonnen und realistisch zu sein. Wir tragen Verantwortung, auch für uns.
8. September
Wir beschließen, umzukehren und vorzeitig Lampedusa anzusteuern. Am 9. September läuft die „alte Lady“, wie sie inzwischen gerne genannt wird, in den Hafen ein.
Schon am nächsten Tag erweist sich unsere Entscheidung als absolut richtig. Ein riesiger Sandsturm hat über mehreren Ländern des Nahen Ostens getobt. Ausläufer des Sturms kamen teilweise über Tripolis hinaus.
Liebe Grüße und bis bald, Stephanie vom “Sea-Watch“-Team.