Nach der Rettung von 39 Menschen aus Seenot vergangenen Montag wurde das Sea-Watch Rettungsschiff Aurora am gestrigen Mittwochabend von italienischen Behörden auf Lampedusa festgesetzt. Ebenfalls gestern sind südwestlich von Griechenland mindestens 79 Menschen auf der Flucht im Mittelmeer ertrunken, Hunderte werden vermisst.
Am Montag, den 12. Juni konnte die Crew der Aurora gegen 23:00 Uhr 39 Personen sicher an Bord bringen. Das seeuntaugliche Metallboot war überfüllt, Treibstoff, Lebensmittel- und Wasservorräte waren aufgebraucht. Zuvor hatte die Crew der Rise Above der Organisation Mission Lifeline das überfüllte Boot entdeckt, Rettungswesten ausgegeben und die Situation stabilisiert. Da der Zustand der geretteten Menschen die Fahrt zum zugewiesenen, weit entfernten Hafen Trapani nicht zuließ, wurden die Menschen in Lampedusa an Land gebracht.
Auf Anfrage wurde der Aurora von italienischen Behörden der sizilianische Hafen Trapani zugewiesen. Da die Geretteten an Seekrankheit und Dehydrierung litten und angaben, bereits mehr als 24 Stunden auf See verbracht zu haben, wurde die Seenotrettungsleitstelle mehrfach aufgefordert, der Aurora den nächstgelegenen sicheren Hafen zuzuweisen, wie dies in internationalen Abkommen festgelegt ist. An Bord befanden sich zudem unbegleitete Minderjährige sowie eine schwangere Frau. Nach wiederholter Ablehnung ließ die Seenotrettungsleitstelle der Crew der Aurora keine andere Möglichkeit als das nächstgelegene Lampedusa anzufahren, um die Gesundheit der Menschen nicht unnötig zu gefährden. Die Fahrt ins weit entfernte Trapani hätte aufgrund der Wetterbedingungen mindestens 32 Stunden gedauert.
Nach Anlandung der 39 geretteten Menschen in Lampedusa wurde die Aurora auf Grundlage des italienischen Regierungsdekrets zur Seenotrettung für 20 Tage festgesetzt, sowie eine Geldstrafe von 3.333€ verhängt. Das Dekret zielt direkt auf zivile Seenotrettungsorganisationen ab und nennt explizit Schiffe, die systematisch oder nicht nur gelegentlich Such- und Rettungseinsätze durchführen als Geltungsrahmen. Die Sanktionen reichen dabei bis zur Beschlagnahme und Einziehung des Schiffes.
“Wo Menschen dem Meer überlassen und sie unnötigem Leid ausgesetzt werden, zeigt Europas rassistisches Grenzregime seine hässliche Fratze. Wir retten, wo Europa ertrinken lässt, und wir setzen Menschen an Bord nicht unnötigen Gefahren aus. Sie haben das Recht, am nächstgelegenen sicheren Ort an Land zu gehen, wie in internationalen Abkommen festgelegt.” sagt Chiara Milanese, Einsatzleiterin der Aurora.
Alleine seit Beginn des Jahres 2023 sind nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration (IOM) über 1160 Menschen im Mittelmeer ertrunken, die höchste Todeszahl seit 2017. Erst gestern waren nach einem Schiffbruch vor dem griechischen Pylos die Leichen von 79 Menschen geborgen worden, Hunderte werden vermisst. In griechischen Medien veröffentlichte Bilder des überfüllten Fischerboots bestätigten Vermutungen, dass es sich um 500 bis 700 Passagiere handelte.
“An den Stränden werden die Leichen Schutzsuchender angespült, während zivile Rettungsorganisationen blockiert und kriminalisiert werden. Die EU kommt nicht nur ihrer Verpflichtung nicht nach, sie bestraft diejenigen, denen Menschenrechte und die Pflicht zur Rettung noch ein Begriff sind.“ sagt Oliver Kulikowski, Sprecher von Sea-Watch.