Während auf dem Treffen der EU-Innenminister*innen in Luxemburg diese Woche erneut keine Fortschritte zur Beendigung des tödlichen Ausnahmezustandes im Mittelmeer erzielt wurden, sind es wieder einmal zivile Akteure, die der Europäischen Union Solidarität vorleben: Mit einer Spende von 60.000 Euro ermöglicht Sea-Watch dem Rettungsschiff Alan Kurdi der Organisation Sea-Eye das Auslaufen in das tödlichste Seegebiet der Welt, dessen Abschottung in einem schweren Bootsunglück am Montag vor Lampedusa erneut 28 Leben kostete.
Sechs Seemeilen vor der italienischen Insel Lampedusa war in der Nacht zu Montag ein Boot mit Flüchtenden verunglückt. Den 22 Überlebenden des Unglücks stehen laut IOM 13 tot geborgene Frauen gegenüber, mindestens 15 weitere Menschen, darunter zwei Kinder sowie zwei Schwangere, werden noch vermisst, auch die Crew des Sea-Watch Suchflugzeugs Moonbird war an der Suche beteiligt. Während die EU-Innenminister in Luxemburg lediglich während eines Snacks zur Mittagszeit die andauernde humanitäre Krise auf dem Mittelmeer thematisierten, herrscht dort weiterhin ein dramatischer Mangel an Rettungskräften.
Seit Ende Juni liegt die Sea-Watch 3, als eines der wenigen verbleibenden zivilen Rettungsschiffe, beschlagnahmt im Hafen von Licata, Sizilien. “Die zivile Seenotrettung greift dort ein, wo Europa tagtäglich Menschen dem Tod auf See und der Verzweiflung libyscher Lager überlässt. Die Solidarität unter EU-Staaten beschränkt sich heute darauf, in stillschweigendem Einverständnis zuzusehen, wie einige Mitgliedstaaten die Seenotrettung abschaffen. Wir zivilgesellschaftlichen Organisationen unterstützen uns gegenseitig nach Kräften, um dieser Blockadepolitik und dem Sterben im Mittelmeer entgegen zu treten”, sagt Johannes Bayer, Vorsitzender von Sea-Watch.
Mit der Spende von 60.000€, ursprünglich für den Einsatz der Sea-Watch 3 eingeplant, welcher aufgrund der Beschlagnahmung nicht stattfinden konnte, trägt Sea-Watch die gesamten Missionskosten des Rettungsschiffs Alan Kurdi, das zu Beginn der kommenden Woche erneut in den Einsatz starten wird. “Wir freuen uns, dass wir trotz der unermüdlichen Arbeit an der Freilassung der Sea-Watch 3 mit unserer Spende einem Rettungsschiff ins Mittelmeer verhelfen können, wo es dringend benötigt wird”, so Bayer.
Auf seiner letzten Mission im September hatte das Schiff von Sea-Eye dreizehn Menschen von einem Holzboot in Seenot gerettet. Die finale Anlandung der Geretteten gelang erst elf Tage später, nachdem bereits acht Migranten zuvor aus medizinischen Gründen evakuiert werden mussten und sich die Situation an Bord immer weiter zuspitzte. Erneut hatte sich kein europäischer Staat für zuständig erklärt, auch Malta, obwohl die Alan Kurdi die Geretteten innerhalb der maltesischen Such- und Rettungszone aufgenommen hatte.
“Wir sind glücklich und dankbar wieder starten zu können. Es ist das erste Mal, dass eine Seenotrettungsorganisation einer Anderen auf diese Weise hilft”, sagt Gorden Isler, Vorsitzender von Sea-Eye.
So musste der letzte Einsatz der Alan Kurdi aus finanziellen Gründen abgesagt werden. Die Spenden reichten zuletzt nicht mehr aus, um alle Voraussetzungen zu schaffen und sofort wieder in den Einsatz zu starten.
“Die Hilfe unserer Freunde macht uns sofort wieder einsatzfähig. Seenotrettung ist kein Selbstgänger. Sie ist immer vom Willen und den Fähigkeiten vieler Menschen abhängig. Die Spende von Sea-Watch verschafft uns auch die Zeit, weiter Gespräche mit unseren Unterstützern und Partnern zu suchen, um in den kommenden Monaten einsatzfähig zu bleiben. Wir danken Sea-Watch und seinen Spendern aus tiefstem Herzen”, sagt Isler weiter.