Die zivile Seenotrettungsorganisation Sea-Watch hat Klage gegen Frontex vor dem Gericht der Europäischen Union (EuG) in Luxemburg erhoben. Zuvor hatte die Grenzschutzagentur Anfragen gemäß der Informationsfreiheitsverordnung abgelehnt.
Konkret bezieht sich Sea-Watch auf den Fall eines völkerrechtswidrigen Pullbacks vom 30.07.2021, der vom Sea-Watch Aufklärungsflugzeug Seabird sowie dem Rettungsschiff Sea-Watch 3 bezeugt wurde. Innerhalb der maltesischen Such- und Rettungszone wurde ein Boot in Seenot mit etwa 20 Menschen an Bord durch die sogenannte libysche Küstenwache abgefangen und nach Libyen zurückgeschleppt. Das Rettungsschiff Sea-Watch 3 war das nächstgelegene Schiff mit Rettungskapazität, wurde jedoch von keiner Behörde informiert. Maltesische Verantwortliche verweigerten sich ihrer Pflicht, die Rettungsmaßnahmen zu koordinieren und dafür zu sorgen, dass die Menschen in Seenot an einen sicheren Ort gebracht werden, wie es das internationale See- und Menschenrecht vorsieht. Vor dem Abfangen des Bootes war eine Frontex-Drohne wiederholt vor Ort und in der Nähe des Seenotfalls, weshalb von einer Beteiligung von Frontex am völkerrechtswidrigen Pullback ausgegangen werden muss.
Nach Anfrage auf Basis der Informationsfreiheitsverordnung über Frontex’ Einsatz am 30.07.2021 verweigerte die Grenzagentur mehrfach die Herausgabe der angeforderten Informationen. Was Frontex lediglich preisgibt, ist der Umfang der vorhandenen Daten: So wurden 73 Dokumente, Bilder und ein Video identifiziert, die sich auf Datum des Sea-Watch Antrags beziehen. Darunter allein 36 Dokumente über den Austausch von Kommunikation zwischen Frontex und libyschen, italienischen sowie maltesischen Behörden im Zusammenhang mit ihrem Einsatz im zentralen Mittelmeer am 30.07.2021.
Mit Unterstützung der Organisation FragDenStaat hat Sea-Watch deshalb Klage gegen Frontex vor dem Gericht der Europäischen Union erhoben, um die Freigabe der zurückgehaltenen Informationen zu erreichen und zu beweisen, dass Frontex an Menschenrechtsverletzungen im Mittelmeer maßgeblich beteiligt ist.
“Frontex predigt Transparenz, arbeitet aber wie ein Geheimdienst. Mit dem Argument der öffentlichen Sicherheit verweigert die Grenzagentur jegliche Information, während gleichzeitig Menschen unter Verletzung des Völkerrechts in Folter und Unsicherheit zurückgeschleppt werden. Frontex spricht von öffentlicher Sicherheit, meint aber die Sicherheit, für seine Beteiligung an Menschenrechtsverletzungen nicht zur Verantwortung gezogen werden zu können“, sagt Marie Naass, Sea-Watch Head of Advocacy.
„Frontex ist rechtlich verpflichtet, seine Operationen transparent zu machen – und doch verweigert die Grenzschutzagentur systematisch den Zugang zu Informationen über ihre Aktivitäten, im zentralen Mittelmeer und anderswo. Dies ist ein gefährliches Muster. Ohne Transparenz können wir Frontex nicht zur Rechenschaft ziehen, was den Nährboden für Straflosigkeit und weiteren Missbrauch schafft“, so Luisa Izuzquiza, Brüsseler Büroleiterin von FragDenStaat.