Das am 19. Februar in seine erste Mission nach über siebenmonatiger Zwangspause ausgelaufene Rettungsschiff Sea-Watch 3 konnte in fünf verschiedenen Rettungsaktionen 363 Menschen aus Seenot retten. In einem sechsten Einsatz konnte die Crew ein weiteres Boot mit etwa 90 Menschen stabilisieren, bis die italienische Küstenwache eintraf. Ein sicherer Hafen in Europa wird dem Schiff und den Geretteten bislang verwehrt. Aufgrund der willkürlichen Festsetzung ziviler Rettungskräfte durch europäische Staaten ist die Sea-Watch 3 derzeit das einzig aktive Rettungsschiff im zentralen Mittelmeer.
Nach der Festsetzung durch italienische Behörden im Juli 2020 und über siebenmonatiger Zwangspause konnte das Seenotrettungsschiff Sea-Watch 3 am 19. Februar den Hafen von Burriana (Spanien) verlassen. Zuvor hatten sowohl deutsche als auch spanische Behörden die Schiffssicherheit und Registrierung des Schiffes erneut bestätigt.
Nachdem in den frühen Morgenstunden des 26. Februars 45 Menschen gerettet werden konnten, sichtete die Sea-Watch 3 am Morgen des 27.02. einen weiteren Seenotfall. Das mit 102 Menschen besetzte Schlauchboot hatte bereits Luft verloren, die Menschen konnten jedoch noch rechtzeitig an Bord in Sicherheit gebracht werden.
Im Laufe des gestrigen Sonntags konnte die Crew der Sea-Watch 3 in drei folgenden Rettungsaktionen weitere 216 Menschen an Bord nehmen. Einer dieser Seenotfälle wurden dabei vom Sea-Watch Aufklärungsflugzeug Moonbird entdeckt. Ebenfalls am Sonntag kam laut der Internationalen Organisation für Migration (IOM) für mindestens 15 Menschen bei einem Schiffsunglück vor der libyschen Küste jede Hilfe zu spät.
In der Nacht zum heutigen Montag entdeckte die Crew einen weiteren Seenotfall. Mit bereits 363 Menschen an Bord der Sea-Watch 3 stabilisierte die Besatzung das Holzboot und wartete auf die zuständige Küstenwache. Stundenlang mussten etwa 90 Menschen auf Rettungsinseln ausharren, bis die italienische Küstenwache eintraf, die die Menschen dann nach Lampedusa brachte.
Die insgesamt 363 Menschen an Bord der Sea-Watch 3 werden nun medizinisch versorgt. Zahlreiche Gerettete zeigten Kraftstoffverbrennungen, Dehydrierungserscheinungen, Unterkühlungen und kämpfen mit Seekrankheit. Hinzu kommen die physischen und psychischen Folgen ihres vorherigen Festhaltens in libyschen Lagern.
Die Aufforderung nach Zuweisung eines sicheren Hafens für die 363 Menschen an Bord an Italien und Malta blieb bislang unbeantwortet.
„Wie so oft schaut Europa zu, während Menschen ertrinken und zivile Rettungskräfte ihr Bestes tun, um dem Sterbenlassen ein Ende zu setzen. Während allein dieses Jahr bereits über 170 Menschen ihr Leben im Mittelmeer lassen mussten, tut Europa alles, um uns vom Retten abzuhalten. Auch Menschen ohne europäischen Pass haben ein Recht auf Rettung. Die Menschen an Bord haben das Recht auf einen sicheren Hafen, und den brauchen wir jetzt!“, Hugo Grenier, Einsatzleiter auf der Sea-Watch 3.
“Die deutsche Bundesregierung darf Mittelmeerstaaten nicht alleine lassen, das Innenministerium muss endlich seine Blockadehaltung aufgeben und jetzt die Aufnahme von Geretteten sicherstellen. Wie lange sollen die Forderungen von über 230 aufnahmebereiten Städten und Kommunen noch ignoriert werden, Herr Seehofer?”, fragt Marie Naaß, Leiterin der politischen Öffentlichkeitsarbeit bei Sea-Watch.
Während weiterhin Seenotrettungsschiffe, so auch die Sea-Watch 4, aus politischem Kalkül wegen behaupteter Sicherheitsmängel in Italien festgesetzt oder mit nicht erfüllbaren Auflagen am Einsatz gehindert werden, ist Europas Abschottungs- und Blockadepolitik weiterhin tödlich: Alleine 2021 starben laut IOM bereits über 170 Menschen beim Versuch, über das zentrale Mittelmeer zu fliehen. Über 3500 weitere wurden in diesem Jahr bereits völkerrechtswidrig durch die von der EU finanzierte, sogenannten Libysche Küstenwache zurückgeschleppt.