Am Samstag ist die Sea-Watch 3 nach über einmonatiger, unrechtmäßiger Blockade erneut in den Such- und Rettungseinsatz aufgebrochen und ist somit das einzige zivile Rettungsschiff im zentralen Mittelmeer. Erst gestern waren etwa 70 Menschen der tödlichen EU-Migrationspolitik zum Opfer gefallen, nachdem ein aus Libyen gestartetes Flüchtlingsboot gekentert war.
Nachdem ein Gericht in Den Haag am vergangenen Dienstag festgestellt hatte, dass der Flaggenstaat die Sea-Watch 3 zu Unrecht seit Anfang April am Auslaufen gehindert hatte, ist das Rettungsschiff wieder auf dem Weg in die Such- und Rettungszone vor Libyen. Zuvor hatte die niederländische Ministerin für Infrastruktur und Wasserwirtschaft neue Verordnungen für Schiffe von Nichtregierungsorganisationen (NGO) erlassen und Sea-Watch, als einziger NGO, keine Übergangszeit zur Implementierung der neuen Vorschriften gewährt. Die Blockade ziviler Seenotrettung – offensichtlich die politische Absicht der ministeriellen Entscheidung – wurde nach einer Beschwerde seitens Sea-Watch vom Gericht aufgehoben.
Am vergangenen Freitag war nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration (IOM) vor der Küste von Kerkennah ein Boot mit aus Libyen flüchtenden Menschen gesunken. Während 16 Schiffbrüchige durch lokale Fischer und die tunesische Küstenwache gerettet werden konnten, kam für rund 70 Menschen jede Rettung zu spät. Ohne die widerrechtliche Beschlagnahmung der Sea-Watch 3 könnten diese Menschen eventuell noch am Leben sein.
„Europa lässt zur Abschreckung Menschen ertrinken, die nur die Wahl zwischen Folter und Tod oder dem Mittelmeer haben. So lange in Libyen Krieg herrscht und Flüchtende dort, in Lagern eingesperrt, unmenschliche Zustände über sich ergehen lassen müssen, werden Menschen über das Meer fliehen. So lange Europa sichere Einreisewege und die völkerrechtliche Pflicht zur Seenotrettung verweigert, werden wir alles dafür tun, so viele Menschen wie möglich zu retten“, sagt Philipp Hahn, Einsatzleiter der Sea-Watch 3.
Ebenfalls am vergangenen Freitag hatten ein Patrouillenschiff der italienische Marine, sowie die Mare Jonio der italienischen Sea-Watch-Partnerorganisation Mediterranea, insgesamt 66 am Vortag Gerettete in Italien an Land gebracht. Mit der darauf erfolgten, zeitweiligen Beschlagnahmung der Mare Jonio ist die Such- und Rettungszone einmal mehr ohne ein einziges Rettungsschiff, dafür mit umso mehr Fluchtbooten: Sechs Fälle wird allein die Sea-Watch Luftaufklärungs-Mission #Moonbird in den darauffolgenden 24 Stunden vor Ort begleiten, manche davon mit dramatischen Szenen.
So wurde unsere Air-Crew am Samstag erneut Zeuge einer völkerrechtswidrigen Rückführung von etwa 100 Menschen durch die sogenannte Libysche Küstenwache. Während der Abfangaktion durch die Libyer sprangen mehrere Menschen vom Schlauchboot und schwammen zum in der Nähe wartenden Offshore-Versorger Vos Triton, oder zurück auf ihr bereits zerstörtes Schlauchboot, um der Verschleppung zu entgehen. „Jedes dieser Boote, die sich im Moment auf den Weg machen, gleicht einer Verzweiflungstat, doch dieses Bild dieser Menschen, die sich schwimmend zu retten versuchen bleibt im Gedächtnis,“ sagt Neeske Beckmann, Tactical Coordinator auf der #Moonbird. „Die EU koordiniert mittlerweile ganz offen den Völkerrechtsbruch an ihrer Außengrenze, indem sie Flugzeuge schickt, die die Libyer zu den Fluchtbooten leiten, während europäische Rettungsschiffe mit allen Mitteln am Auslaufen und Retten gehindert werden.“