Maggie, 31, setzt sich seit Jahren gegen die Abschottungspolitik Europas ein. Sie studierte Arabisch in Tunesien und ist eine Mitbegründerin des Watch the Med Alarmphones. Wenn sie während ihrer Alarmphone-Schichten mit Menschen, die in Seenot geraten waren, telefonisch in Verbindung stand, wünschte sie sich nichts sehnlicher als ein Schiff oder einen Helikopter, um den Menschen zur Hilfe zu eilen. Sie war auf mehreren Rettungsmissionen mit dem Schiff Iuventa im zentralen Mittelmeer unterwegs. Nun ist sie als Moonbird-Einsatzleiterin bei Sea-Watch und ist vorgestern ihre erste Mission geflogen.
Ich war super aufgeregt, als es losging. Dies war mein erstes Mal, dass ich auf dieser Position – als Einsatzleiterin – auf der Moonbird mitgeflogen bin. Ich bin davor schon zweimal mitgeflogen, aber da saß ich nur hinten drin und hatte keinerlei Verantwortung. Es war so aufregend zu wissen: Heute muss ich die ganze Kommunikation machen und die Entscheidungen treffen, wo wir hinfliegen.
Als wir am Flughafen ankamen und uns für die nächste Mission bereit machten, habe ich das MRCC Rom angerufen und die hatten bereits 3 Fälle für uns, wobei sie direkt darauf hingewiesen haben, dass zwei davon von den Libyern übernommen werden und der andere von Open Arms. Also nahmen wir uns vor, diese erst einmal zu überfliegen und dann nach weiteren Booten in Seenot Ausschau zu halten.
Ungefähr 65-70 NM (120-130 km) offshore, als wir begannen, tiefer zu gehen, aber eigentlich noch viel zu hoch waren, um ernsthaft etwas zu erkennen, sah ich bereits etwas, das wie eine Schaumspur im Wasser wirkte. Da hoher Wellengang war, konnte ich mir nicht sicher sein, ob es nicht doch nur normale Schaumkronen waren. Trotzdem bat ich Rune, unseren Piloten von HPI, noch einmal drüber hinweg zu fliegen und tatsächlich entdeckten wir kurz darauf ein graues Schlauchboot! Dieses war durch seine Farbe praktisch unsichtbar auf dem Wasser, wir hatten riesiges Glück, dass wir sie entdeckt haben! Unsere ALO (Air Liaison Officer) informierte daraufhin direkt den MRCC und ich gab der Open Arms die Position des Bootes. Wir waren überrascht, ein Boot so weit draußen zu finden. In diesem Bereich wird normalerweise gar nicht gesucht, da die Boote meist gar nicht erst so weit kommen.
Also flogen wir die Umgebung in einem West-Ost-Suchmuster ab, um zu sehen, ob andere mit ihnen gestartet waren. Wir fanden keine weiteren Boote. Auf dem Rückweg wollten wir noch einmal nach dem bereits gesichteten Boot Ausschau halten; es gab aber keine Spur mehr davon. Wir funkten noch einen großen Tanker in der Nähe an, doch auch der hatte sie nicht auf dem Radar. Er wartete bereits auf Anweisungen von der sogenannten libyschen Küstenwache (er hatte Anweisungen vom MRCC Rom bekommen, auf Anweisung der LYCG zu warten), ob er nach ihnen suchen soll.
Unser Plan war, weiter unser Suchmuster zu fliegen, als wir eine Nachricht von unser ALO bekamen: Das MRCC Rom will, dass wir nach einer Position sehr weit östlich schauen, wo zwei Boote sind. Das erste fanden wir sehr schnell, das zweite auch nach längerem Suchen nicht. Gerade in dem Moment, als unser Sprit knapp wurde, erhielten wir noch den Hinweis, dass bei letzterem bereits länger der Motor ausgefallen war, es nur noch driftete und es allgemein in keiner guten Kondition mehr war. Wir hatten zu dem Zeitpunkt bereits den größten Teil des Gebietes abgesucht, ohne Ergebnis. Wir mussten zurück nach Malta.
In dem Moment, als wir wieder auf Malta landeten, erreichte uns die Nachricht, dass die Open Arms inmitten ihre Rettungseinsatzes von der sogenannten libyschen Küstenwache bedroht wird. Den ganzen Tag bangten Rune und ich mit ihnen, warteten auf Neuigkeiten. Es wurde ein langer Tag und eine lange Nacht. Aufatmen können wir noch immer nicht. Kann ich noch immer nicht. Denn noch immer kann Open Arms die 218 geretteten Menschen nicht in den sicheren Hafen bringen.
Es ist immer wieder schockierend zu sehen, auf was für gefährliche Routen Flüchtende ausweichen müssen, da die EU ihnen legale und sichere Fluchtwege praktisch verweigert. Und lieber libyschen Milizen Geld gibt statt Menschen einen sicheren Hafen zu gewähren.
Wie kann es sein, dass Menschenleben in Europa so leichtfertig aufs Spiel gesetzt werden?