Die Sea-Watch Rettungsmission startet dramatisch: Gleich am ersten Einsatztag für 2017 hat die Crew der Sea-Watch 2 am Sonntag etwa 300 Menschen aus sinkenden Schlauchbooten gerettet. Schiff und Crew operierten am absoluten Kapazitätslimit. Dennoch konnte die Rettungsleitstelle kein Schiff zur Unterstützung schicken. Insgesamt waren am Sonntag mehrere Tausend Flüchtende in Seenot geraten. Die knappen Kapazitäten der staatlichen Retter sind dabei politisches Kalkül: Rettungsmissionen untergraben das Konzept des Sterbenlassens als Mittel der Abschreckung.
“Dass die Rettungskapazitäten bereits im Frühjahr am Limit sind zeigt, dass die EU nichts aus den Bootskatastrophen der letzten Jahre gelernt hat. Das nächste größere Unglück ist nur eine Frage der Zeit”, sagt Martin Taminiau, Einsatzleiter der ersten Mission. Die Sea-Watch 2 ist eigentlich nicht dafür ausgelegt, hunderte Menschen an Bord zu nehmen. Dennoch musste sie die Geretteten in der Nacht zu Montag selbst in Richtung Lampedusa bringen, bis sie in den frühen Morgenstunden endlich von einem Schiff der italienischen Küstenwache übernommen werden konnten. Trotz wiederholter Bitten durch die Crew der Sea-Watch 2, die mehrere Seenotfälle zu versorgen hatte und deutlich über ihrem Kapazitätslimit operieren musste, konnte die Rettungsleitstelle kein Schiff zur Hilfe schicken, da auch alle anderen Schiffe in der Gegend in Rettungseinsätze involviert waren.
Mare Mortum soll weiter abschrecken
Das Jahr 2016 war das tödlichste an Europas Grenzen, und ganz speziell auf dem Mittelmeer. Aus dem Mare Nostrum, in dem durch die italienische Marine noch vor zwei Jahren zehntausende Menschen gerettet wurden, ist mittlerweile das Mare Mortum geworden. “Es kann nur politisches Kalkül dahinter stecken, wenn in einem Jahr über 5000 Menschen auf dem Weg zu einem sicheren Hafen ertrinken oder vermisst werden… und jetzt trotzdem nicht genug Rettungskräfte eingesetzt werden”, kommentiert Taminiau. “Rettungsmissionen untergraben das Konzept des Sterbenlassens, deshalb sind sie der Europäischen Union ein Dorn im Auge, das war schon bei der italienischen Mission Mare Nostrum so.”
Private Rettungsmissionen kann die EU jedoch nicht wie die Rettungsmission “Mare Nostrum” einfach einstellen. “Wir werden nicht zulassen, dass die EU Migrationsabwehr über das elementare Recht auf Leben stellt und Tausende auf dem Mittelmeer ertrinken lässt. Wenn es um die Rettung von Menschenleben geht, werden wir auch in diesem Jahr keine Kompromisse machen,” sagt Taminiau. “Auch wenn uns Fabrice Leggeri, der Chef der Europäischen Grenzschutzagentur Frontex, zur Unterlassung der Hilfeleistung aufruft, nehmen wir die Grundrechtecharta der Europäischen Union und das internationale Seerecht nach wie vor ernst.”
Der erste Einsatz der Sea-Watch 2 am Sonntag zeigt, wie wichtig dieses Handeln ist. Einige der Boote waren in derart schlechtem Zustand, dass sie kurze Zeit später gesunken wären. Wenn die Sea-Watch den Flüchtenden nicht zur Hilfe gekommen wäre, hätte es ohne Zweifel viele Tote gegeben.
Der Sea-Watch Einsatz an Europas tödlicher Seegrenze steht deshalb in diesem Jahr unter dem Motto: #MenschenrechteKeineKompromisse.
Foto: Ein Crewmitglied der Sea-Watch wirft zwei Schiffbrüchigen eine Rettungsweste zu. Fabian Melber, 19.03.2017