Die italienischen Behörden haben mit sofortiger Wirkung das Aufklärungsflugzeug Seabird 1 der zivilen Seenotrettungsorganisation Sea-Watch festgesetzt. Es ist eine neue Eskalationsstufe im Kampf der italienischen Regierung gegen zivile Menschenrechtsbeobachtung auf dem Mittelmeer.
Am Donnerstag, den 7.August, wurde die Crew der Seabird 1 von der Luftaufsichtsbehörde ENAC darüber informiert, dass das Flugzeug mit sofortiger Wirkung festgesetzt wurde. Vor gerade einmal einer Woche hatte die Luftaufklärungs-Crew dokumentiert, wie die italienischen Behörden einen ganzen Tag lang die Hilferufe eines in Seenot geratenen Schiffs ignoriert hatten, ohne Hilfe zu schicken. Zwei Kinder waren in der Folge ums Leben gekommen. Der Fall hatte in Italien große Aufmerksamkeit erregt. Nun haben die Behörden erstmalig eines der Menschenrechtsbeobachtungsflugzeuge von Sea-Watch festgesetzt.
“Der genaue Grund für die Festsetzung ist uns aktuell noch unklar”, sagt Laura Meschede, Sprecherin von Sea-Watch. “Es ist aber offensichtlich, dass es sich hier um einen Vorwand handelt, um uns als Zeugen der Situation im Mittelmeer loszuwerden.”
Die Behörden stützen sich dabei auf ein Gesetz, das die italienische Regierung im Oktober 2024 verabschiedet hatte und das es ermöglicht, zivile Aufklärungsflüge festzusetzen: Das sogenannte „Flussi-Dekret“. Schon als dieses Gesetz im Oktober 2024 verabschiedet worden war, hatten Menschenrechtsorganisationen gewarnt, dass es bei ihm in erster Linie darum gehe, sich der unabhängigen Menschenrechtsbeobachtung auf dem Mittelmeer zu entledigen. Die Festsetzung der Seabird 1 bestätigt diese Befürchtung.
„In den vergangenen Monaten haben wir aus unserem Flugzeug heraus immer wieder schwere Menschenrechtsverbrechen der italienischen Regierung dokumentiert“, sagt Laura Meschede. „Wir haben dokumentiert, wie italienische Behörden die Hilferufe von Booten in Seenot ignoriert haben und dutzende Menschen ertrunken sind. Wir haben dokumentiert, wie von Italien und der EU ausgerüstete libysche Milizen auf Seenotretter und fliehende Menschen geschossen haben. Und wir dokumentieren jeden Tag die tödlichen Auswirkungen der europäischen Abschottungspolitik – kein Wunder, dass die italienische Regierung uns loswerden will.“
Dass nun erstmalig ein ziviles Aufklärungs-Flugzeug von Sea-Watch festgesetzt wurde, ist für die Menschenrechts-Beobachtung über dem Mittelmeer eine ernstzunehmende Bedrohung. Denn die Höhe der Strafe steigert sich bei jedem “Verstoß“ gegen das Dekret: Beim nächsten Mal könnte die Festsetzung bereits bis zu 60 Tage betragen. Und bei einem dritten „Verstoß“ wird das Flugzeug unwiederbringlich konfisziert. Sea-Watch kündigte an, rechtliche Schritte gegen die Festsetzung zu prüfen.