Gestern Abend um 20:30 Uhr Ortszeit wurden die restlichen 47 von 65 geretteten Menschen an Bord der Sea-Watch 3 in enger Zusammenarbeit mit der italienischen Küstenwache auf der Insel Lampedusa sicher an Land gebracht. Die vierte Ausschiffung durch ein ziviles Rettungsschiff in Italien in diesem Jahr beweist einmal mehr, dass die Rede von geschlossenen Häfen vor allem eines ist: Gerede.
„Die Häfen sind nicht geschlossen, sie können nicht geschlossen werden. Wir haben eine gesetzliche Verpflichtung, eine moralische Verpflichtung, einen Akt der Solidarität bekräftigt: Seenotrettung muss geschützt und verteidigt werden“, sagte Giorgia Linardi, Sea-Watch-Vertreterin in Italien, als die Überlebenden im Hafen von Einheimischen mit Bannern mit der Aufschrift „Welcome to Lampedusa“ und „Wer ein Leben rettet, rettet die ganze Welt“ begrüßt wurden.
Die 47 Personen wurden in enger und freundschaftlicher Zusammenarbeit von der italienischen Küstenwache und der Zollbehörde an Bord genommen, da die Sea-Watch 3 als zu groß erachtet wurde, um im Hafen von Lampedusa anzulegen. Die Sea-Watch 3 wurde jedoch offiziell „provisorisch beschlagnahmt“ und aufgefordert, in den Hafen von Licata zu fahren.
„Wir freuen uns für die Überlebenden, die genug durchgemacht haben und hoffentlich nun endlich etwas Ruhe und Frieden haben können.“, sagt Philipp Hahn, Missionsleiter der Sea-Watch 3. „Die anschließende Beschlagnahmung unseres Schiffes war ebenso vorhersehbar wie skandalös. Wir haben kein Gesetz gebrochen, wir haben uns vielmehr erneut für das Seerecht und die Genfer Flüchtlingskonvention eingesetzt, und wir erwarten deshalb keine weiteren rechtlichen Folgen. Aber die Sea-Watch 3 ist ein Rettungsschiff, kein Kreuzfahrtschiff. Jeder Tag, den es im Hafen liegt, kann Menschenleben kosten.“
Insgesamt 65 Personen waren am 15. Mai von der Sea-Watch 3-Crew aus einem Schlauchboot in Seenot gerettet worden, etwa 30 Seemeilen vor der libyschen Küste. Die zuständigen Behörden hatten erneut ihre seerechtliche Verpflichtung zur Bereitstellung eines sicheren Hafens missachtet und das Schiff sich selbst überlassen. Wohl aus politischem Kalkül angesichts der anstehenden EU-Wahlen, hatten die italienischen Behörden am Freitag eine höchst ungewöhnliche, teilweise Ausschiffung aus internationalen Gewässern durchgeführt: 18 Personen, darunter Familien mit kleinen Kindern, wurden von einem Schiff der Küstenwache von der Sea-Watch 3 evakuiert. Infolgedessen hatte sich der psychologische Zustand der zurückgelassenen Geretteten so weit verschlechtert, dass Kapitän und Besatzung ihre Gesundheit und Sicherheit nicht mehr garantieren konnten; sie erklärten den Notstandund fuhren in italienische Hoheitsgewässer ein.
Bereits am Samstag forderten die Vereinten Nationen in einem Schreiben die italienische Regierung auf, ein Dekret des Innenministers Salvini zurückzuziehen, in welchem sie feststellen, dass „Such- und Rettungsaktionen zur Rettung von Menschenleben auf See keinen Verstoß gegen die nationalen Rechtsvorschriften über Grenzkontrollen oder irreguläre Migration darstellen können, da das Recht auf Leben Vorrang vor nationalen und europäischen Rechtsvorschriften, bilateralen Abkommen und Absichtserklärungen sowie jeder anderen politischen oder administrativen Entscheidung, die auf die „Bekämpfung der irregulären Migration“ abzielt haben sollte“, und dass das Salvini-Dekret nicht nur ein weiterer politischer Versuch ist, Such- und Rettungsaktionen von zivilgesellschaftlichen Organisationen im Mittelmeerraum zu kriminalisieren, sondern seine Umsetzung eine Verletzung der Menschenrechte darstellt.