Wir sagen es seit jeher: Aus Seenot gerettete Menschen dürfen unter keinen Umständen zurück nach Libyen gebracht werden! Denn eine Rettungsoperation ist erst dann beendet, wenn die geretteten Menschen in Sicherheit gebracht sind.
Was bedeutet das genau? Die Geretteten müssen an einem Ort an Land gebracht werden, an dem die fundamentalen Rechte einer Person respektiert werden – so steht es im internationalen Seerecht. Libyen hingegen ist von anhaltenden gewaltvollen Auseinandersetzungen geprägt. Folter, Versklavung und Mord von geflüchteten Menschen sind keine Seltenheit. Menschenrechte werden hier täglich missachtet. Deswegen sind wir und andere zivile Seenotrettungsorganisationen dazu verpflichtet, Gerettete nach Europa – nicht nach Libyen – zu bringen.
Am 30. Juli 2018 entschied sich der Kapitän des Hochseeversorgungsschiffes Asso Ventotto dazu, über 100 zuvor aus Seenot gerettete Menschen nach Tripolis, Libyen zurück bringen zu lassen, indem die Menschen an die sogenannte libysche Küstenwache übergeben wurden – entgegen internationalem Recht! Der Kapitän hatte zu keinem Zeitpunkt Kontakt zur italienischen Leitstelle zur Koordination der Seenotrettung (MRCC) aufgenommen – obwohl das Schiff, welches unter italienischer Flagge fuhr, dazu verpflichtet gewesen wäre. Stattdessen wurde die gesamte Rettungsaktion von der sogenannten libyschen Küstenwache koordiniert.
Gleichzeitig bestand jedoch Kontakt zur Open Arms, zu dem Zeitpunkt das einzig operative zivile Seenotrettungsschiff im zentralen Mittelmeer. Die Besatzung der Open Arms wies explizit darauf hin, dass eine Ausschiffung nach Libyen illegal sei und nur ein Hafen in Europa in Frage kommt. Massenrückführungen ohne Überprüfung des Anrechts auf Asyl sind nämlich völkerrechtwidrig – das ist spätestens seit dem grundsteinlegenden Fall Hirsi Jamaa and others v Italy klar.*
Der Kapitän wählte jedoch den vermeintlich einfacheren Weg und zahlt nun einen hohen Preis: Ihn erwartet eine einjährige Haftstrafe. Das wegweisende Urteil stützt sich auch auf die von der Open Arms aufgezeichneten Funkgespräche. Die Begründung für das Urteil wird in den nächsten Monaten erwartet, doch schon jetzt ist klar: Das italienische Gericht hat mit seinem Urteil klar bestätigt, dass Libyen kein sicherer Hafen ist!
Es ist das erste Mal, dass ein Kapitän eines kommerziellen Schiffes für eine Rückführung belangt wurde – ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Denn Push- und Pullbacks sind illegal, egal ob sie von Behörden wie der europäischen Grenzschutzagentur Frontex, von zivilen Schiffen oder privaten Seefahrzeugen durchgeführt werden!
Wir sind froh über das Urteil, welches erneut bestätigt, dass Seenotrettung eine Verpflichtung nach internationalem Recht ist und eine Rettung erst abgeschlossen ist, wenn die Geretteten an einem sicheren Hafen an Land gehen können.