Gegendarstellung zur Erklärung des Befehlshabers der europäischen Operation Sophia zum Training der sogenannten Küstenwache
„Es ist zynisch, dass der Befehlshaber der Operation Sophia, Konteradmiral Enrico Credentino, behauptet die Ausbildung der libyschen Küstenwache könne die Todeszahlen im Mittelmehr reduzieren.“ sagt der Sea-Watch Geschäftsführer Axel Grafmanns. „Es ist nur beabsichtigt die Anzahl der Menschen, die in Europa ankommen, zu reduzieren, nicht die Anzahl der Toten im Mittelmeer. Es gibt nur einen Weg die Todeszahlen der Migrant*innen zu reduzieren, und zwar sichere und legale Zugangswege.“
„Wir sind nicht gegen Rettungseinsätze auch innerhalb der 12 Meilenzone, denn auch dort geschehen viele Unglücksfälle, aber die vordringlichste Priorität jeder Ausbildungsmission muss die Verbesserung der humanitären Situation und der Seenotrettungkapazitäten sein, und nicht die Anzahl der Migrant*innen, die in Europa ankommen, zu reduzieren.“ Sea-Watch Vorstandsmitglied Johannes Bayer erklärt: „Sea-Watch war in der Lage Fälle zu dokumentieren, in denen die libysche Küstenwache Boote zur Rückkehr gezwungen hat – selbst weit außerhalb ihrer Hoheitsgewässer. Diese Deportationen werden von der Europäischen Union diktiert und sollten als eindeutige Verletzung des Grundsatzes der Nicht-Zurückweisung betrachtet werden, da Leben in Gefahr gebracht wurden.“
Die wichtigste Frage in Bezug auf die Ausbildungs-Mission wurde vom Admiral nicht beantwortet („Wir müssen sehen was passiert. Das ist eine politische Entscheidung.“ Credentino). Das ist die Frage ob Menschen, die von der so genannten Küstenwache gerettet werde, zurück nach Libyen gebracht werden oder in einen sicheren Hafen, wie es von internationalem See-recht vorgeschrieben ist. Das könnte umgesetzt werden, indem Menschen, die von der libyschen Küstenwache gerettet werde, an Schiffe der internationalen Rettungsorganisationen oder an die europäische Marine übergeben werden.
Auch wenn es vom Admiral nicht benannt wurde, so haben es EU Politiker*innen in der Vergangenheit recht deutlich gemacht, dass es das Ziel der Mission ist, Boote davon abzuhalten die Küste zu verlassen und diejenigen Boote, die es auf das Meer geschafft haben, zurück zu bringen. Dies geschieht im Widerspruch zur IOM SAR Konvention, die von Libyen nicht ratifiziert wurde, wohl aber von den Mitgliedsstaaten der EU. „Diese Herangehensweise wird aus einem einfachen Grund tödlich sein“, sagt Bayer. „Viele der Menschen, die wir retten, berichten von fürchterlichen Bedingungen in Libyen, sie sagen sie würden eher auf See streben als nach Libyen zurück zu gehen. Also selbst wenn eine Küstenwache gut in der Seenotrettung trainiert sein sollte, werden die Flüchtenden im Boot in Panik ausbrechen sowie sie erkennen, dass sie nach Libyen zurück gebracht werden sollen.“ Solche Situationen sind ausgesprochen gefährlich. Der Löwenanteil der über 4.000 Toten auf See dieses Jahr, dem tödlichsten Jahr der Geschichte im Mittelmeer, wurde durch Panik-Situationen während Rettungseinsätzen verursacht, wie wir während der Katastrophe vom 21.10.2016 gesehen haben.
Darüber hinaus stehen die Aussagen des Admirals der Mission Sophia im vollständigen Gegensatz zur Politik der UNHCR, die gerade erst alle Länder aufgefordert hat die Verfügbarkeit von regulären Wegen, auf denen Flüchtende Sicherheit erreichen können, deutlich auszubauen. „Statt an eine humanitären Lösung zu arbeiten trainiert die EU Mission Sophia eine militärische Truppe, die sie nicht kontrollieren können, da Macht im vom Krieg zerrütteten Libyen schnell wechselt. Bestenfalls werden sie eine chaotische Situation erreichen, in der gut trainierte Küstenwachen tagtäglich Unglücke auf See verursachen durch ihre Strategie der erzwungenen Umkehr und dadurch noch mehr Tote durch Ertrinken verursachen, aber keinesfalls die Todeszahlen reduzieren“, sagt Sea-Watch Geschäftsführer Axel Grafmanns. „Was die EU tut ist zutiefst verantwortungslos, und wird zu mehr Ertrunkenen führen anstatt Leben zu retten, wegen der verhängnisvoll falschen Strategie der Abschottung und nicht wegen eines Mangels an Training. Wenn Europa nicht seine Politik ändert, die die Toten als Mittel zur Abschreckung benutzt, wird 2016 nicht das tödlichste Jahr in der Geschichte bleiben – wir brauchen sichere Fluchtwege jetzt! Wir müssen in Fähren investieren und nicht in die Küstenwache.“
Original Statement: https://goo.gl/CBlTnQ
Foto: © 2016 – Christian Ditsch