Am 19. August hat die “Sea-Watch“ aus technischen Gründen mit zwei Tagen Verspätung zu ihrer fünften Ausfahrt abgelegt. Am gleichen Abend war Ingo Werth, Kapitän vom 2. Törn (knapp 600 Gerettete) zur Aufzeichnung bei Markus Lanz zu Gast im ZDF Talk und sprach dort über seine Erfahrungen. Die Ausstrahlung erfolgte am 20.08.2015. Seine Worte bewegen:
- „Wenn wir ein Boot finden, bin ich sicher, dass ein Zweites untergeht!“
- „Wir sehen keine Fotos von den Booten, die untergehen! Wir wissen, dass die Dunkelziffer von den Versterbenden, ertrinkenden Menschen um ein Vielfaches höher ist, als das, was wir als Leichen aufgezählt bekommen.“
- „Es muss legale Wege für Menschen geben, die um Asyl bitten, überleben wollen. Genauso, wie es Wege gegeben hat, als Deutsche geflohen sind und als Deutsche von anderen Ländern aufgenommen wurden.“
21.08.2015: Kommunikationsverbindung über das Satelliten-Telefon bricht ab
Leider ist am 21. August unsere SAT-Anlage ausgefallen, so dass keine „normalen“ Telefonate oder Mail-Kommunikation mit der “Sea-Watch“ möglich sind. Wir weichen auf ein Iridium-Phone aus, müssen aus Kostengründen auf die bisherige Form der Updates verzichten und können keine Bilder übermitteln.
Unsere Einsatzzentrale wird kurzerhand ins Camp auf Lampedusa verlegt. Sandra leistet mit ihrem derzeitigen Team hervorragende Arbeit und bildet eine zuverlässige Schnittstelle zwischen MRCC Rome, dem Schiff und dem Orga-Team in Deutschland.
Von Sandra bekommen wir auch das Update zur aktuellen Situation, dem Einsatz von gestern, dem 22. August und eine erste Meldung zu einem weiteren geborgenen Schiff von heute.
„Andre (=Skipper von der aktuellen 5. Crew) ruft mich mehrmals täglich vom Irididium-Phone aus an. Wir haben eben gerade zuletzt telefoniert. Beide Telefone haben inzwischen ausreichendes Guthaben und das Schiff meldet sich regelmäßig. Klaus arbeitet an der SAT-Anlage. Die aktuelle Position (14.25 Uhr) ist 33 Grad 25 Minuten Nord, 13 Grad 31 Minuten Ost. Es geht allen an Bord gut, die Stimmung ist prima, sie sind natürlich erschöpft und einige hatten den Wunsch, ich möge ihre Eltern kontaktieren – die besorgt sein könnten, da sie auf dem Schiff nicht erreichbar sind. Das habe ich gleich getan und alle Eltern beruhigt und ihnen erzählt, dass ihre „Kids“ einen großartigen Job machen.“
22.08.2015: 1. Einsatz Crew 5 – 150 Gerettete, darunter 20 Frauen und 8 kleine Kinder
„Nachdem gestern die erste Suchaktion nach einem Schiff auf den durchgegebenen Koordinaten erfolglos war, wurden die “Sea-Watch“ zum ersten Einsatz für Crew 5 gerufen. Hier trafen sie auf 150 (!) Personen in einem Schlauchboot. Ich habe mir die unglaubliche Zahl mehrfach von Andre und Welf bestätigen lassen. Unter den 150 Personen waren 20 Frauen und 8 Kinder (z.T. ganz kleine). Eine Rettungsinsel für 25 Personen wurde ausgebracht. Sascha (Mediziner) war mit auf dem Rib, aber es benötigte niemand medizinische Hilfe. Zusammen haben sie Decken, Wasser und Essen verteilt und die Menschen schließlich gut der „Calabrese“ von der Guardia Costiera übergeben können. Kommunikation und Zusammenarbeit sind prima gewesen.
Nach dem Einsatz, ab dem späten Abend haben sie bis heute (23.08.) früh um 4.30 Uhr gemeinsam mit der britischen Marine ein Schlauchboot gesucht, das die Marine schließlich mit Drohne und Heli finden konnte. Es waren 100 Personen drauf, wir waren an deren Bergung nicht mehr beteiligt.“
2. Einsatz Crew 5 – erfolgreich beendet – (genauere Infos werden wir nachreichen)
„Heute, 23.08. gegen 15:30 Uhr haben unsere Leute einen weiteren Einsatz mit knapp 150 Geretteten beendet, zu dem sie MRCC Rome gerufen hatte. Unser Rib ist raus und hat Schwimmwesten verteilt, z.T. hatten sie bereits welche an. Der Einsatz einer Rettungsinsel war nicht nötig, die ausgegebenen Rettungswesten sind inzwischen zurück auf der “Sea-Watch“. Die Menschen wurden wieder in sehr guter Zusammenarbeit und Kommunikation an die Guardia Costiere übergeben.
Die “Sea-Watch“ ist nun zu einer neuen Suche Richtung Norden unterwegs.“
980 Personen wurden auf 4 Schiffen nach Lampedusa gebracht
„Die Stimmung auf der Insel ist angespannt, besorgt, erwartungsvoll und überall laufen Nachrichten. Bei den Einsätzen gestern wurden laut italienischer Medienberichte 4.060 Personen aus dem Einsatzgebiet gerettet. 980 davon wurden mit vier Schiffen bis heute früh um 4:00 Uhr nach Lampedusa gebracht. Ich war mit Lina bis heute Morgen unten am Hafen und wir konnten etwas helfen. However: Ich bin stolz darauf, dieses fantastische Projekt unterstützen zu dürfen und so großartige Leute um mich zu haben.“
Danke an Sandra und das ganze Team vor Ort auf Lampedusa!