Sea-Watch wird zeitnah mit der Sea-Watch 3 in den Einsatz gehen. Die Sea-Watch 3 ist das erste Schiff in der Sea-Watch Flotte, das dazu in der Lage ist, Gerettete Personen selbst in einen sicheren Hafen zu bringen. Um das Risiko einer willkürlichen Beschlagnahmung unseres Schiffes, ähnlich der IUVENTA von Jugend Rettet zu vermeiden, hat Sea-Watch nun erneut mit der italienischen Regierung über den umstrittenen Verhaltenskodex für NGOs verhandelt. Tatsächlich konnte Sea-Watch in den Verhandlungen mit dem Innenministerium in Rom eine Lösung erzielen, die es uns ermöglicht hat, den Code of Conduct mit einem zusätzlichen Addendum zu unterschreiben, welches die strittigen Punkte löst.
Sea-Watch erkennt die Leistungen Italiens bei der Seenotrettung im zentralen Mittelmeer an: Kein anderes Europäisches Land hat sich hier in vergleichbarer Weise eingebracht wie Italien, dessen Küstenwache und Marine viele Tausend Menschen aus Seenot gerettet haben. Dafür gebührt Italien unser größter Respekt. Den Versuch hingegen, die zentrale Mittelmeer Route um jeden Preis zu schliessen, darunter die etwaige Unterstützung bei völkerrechtswidrigen Rückführungen durch die Libysche Küstenwache kritisieren wir aufs Schärfste, auch der Menschenrechtsbeauftragte des Europarates hat hier bereits um Klärung durch die italienische Regierung gebeten.
Auch die im Juli durch das italienische Innenministerium vorgeschlagene Version eines Code of Conduct enthielt einige Punkte, welche selbst nach Ansicht des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages mit dem Völkerrecht kollidierten und letztlich dazu geführt hätten, dass die Rettungskapazitäten im zentralen Mittelmeer geschwächt worden wären. Gleichzeitig zeigt die willkürliche Beschlagnahmung der IUVENTA aufgrund fadenscheiniger Vorwürfe nur zwei Tage nach den gescheiterten Verhandlungen im Juli, welche Folgen ein Verweigern der Unterschrift unter den Code mit sich bringen kann.
Wir sind deshalb froh darüber, dass das italienische Innenministerium nun bereit war, an einer gemeinsamen Lösung zu arbeiten, welche die Situation im Sinne der Flüchtenden entspannt. Zudem besteht nun eine Einigung, auf die wir uns auch nach einem etwaigen Regierungswechsel im Zuge der italienischen Wahlen im Frühjahr berufen können.
Dafür war es nötig, einige zentrale Punkte klarzustellen, die im Juli unsere Unterschrift verhindert haben: Unsere Freund*innen von SOS Mediterranee hatten bereits ein ähnliches Addendum durchsetzen können, wie es nun auch von Sea-Watch Gründer Harald Höppner unterzeichnet wurde. Dieses stellt unter anderem klar, dass Polizeibeamt*innen die geltenden UNCLOS-Bestimmungen und “anderes anwendbares Völkerrecht, die Kompetenzen des Kapitäns“ etc. nicht beeinträchtigen dürfen. Zunächst war davon die Rede gewesen, dass Polizei bewaffnet zu jeder Zeit an Bord kommen könnte. Auch im Hinblick auf die sogenannte Libysche Küstenwache haben wir klargestellt, dass wir uns nicht an deren Anweisungen halten müssen, es sei denn, wir befinden uns innerhalb der 12 Seemeilen-Zone. Hier bestand zuvor die Befürchtung, der Code könne uns dazu zwingen, mit der sogenannten Libyschen Küstenwache bei völkerrechtswidrigen Rückführungen zusammenzuarbeiten.
Nach der Einigung blicken wir nun zuversichtlich auf eine auch in Zukunft reibungslose Zusammenarbeit mit den italienischen Behörden. Gleichzeitig mahnen wir die EU an, endlich an echten Lösungen für die humanitäre Krise auf dem Mittelmeer zu arbeiten, auch um Italien zu entlasten. Europa muss sich entscheiden zwischen Menschenrechten und Migrationsabwehr.
Sea-Watch Addendum zum Code of Conduct
- Es versteht sich, dass die Libysche Küstenwache in ihren territorialen Gebieten oder dort, wo die Libysche Küstenwache authorisiert ist, ihre Aktivitäten innerhalb des rechtlichen Rahmens der IMO auszuführen, nicht behindert wird.
- Es versteht sich, dass das zuständige MRCC ein von der IMO verifiziertes MRCC sein muss.
- Es versteht sich, dass die Zerstörung der Boote und das Einsammeln der Außenbordmotoren in Abstimmung mit dem zuständigen MRCC stattfindet.
- Es versteht sich, dass der Standard der Rettungsausrüstung sich nach dem Standard und des Klassifizierung des Flaggenstaates richtet.
- Es versteht sich, dass dieser Verhaltenskodex keine Einschränkung der Praxis, Überlebende an andere Schiffe zu übergeben beinhaltet, und dass diese Übergaben weiterhin unter der exklusiven Koordination des MRCC Rom und unter bestehendem internationalem Seerecht und anderen gültigen rechtlichen Standards stattfinden.
- Es versteht sich, wie in dem genannten Verhaltenskodex festgelegt, dass Polizeibeamt*innen die geltenden UNCLOS-Bestimmungen und “anderes anwendbares Völkerrecht,…die Kompetenzen des Kapitäns und … die verschiedenen Mandaten der involvierten rechtlichen Instanzen, wie sie unter nationalen Gesetzen und dem Völkerrecht Recht bestehen“ nicht beeinträchtigen dürfen.
- Wie im Verhaltenskodex festgelegt, ist verstanden, dass die Anwesenheit justizieller Polizeibeamt*innen an Bord, die zeitweise als “möglicherweise und grundsätzlich notwendig, auf Verlangen der italienischen Behörden” erachtet warden kann, nicht die humanitären Aktivität, die von dem NGO-Schiff durchgeführt wird, beeinträchtigen, und besonders nicht die Versorgung und den Schutz der geretteten Personen behindern darf. Es versteht sich, dass eine vollständige Erholungsphase von einem Minimum von 24 Stunden für alle geretteten Personen eingehalten werden muss.
- Es versteht sich und ist anerkannt, dass SEA-WATCH e. V. bereits italienische Polizeibeamt*innen an Bord empfängt, wann immer die Sea-Watch 3 sich in einem italienischen Hafen befindet, und dass die NGO sich verpflichtet, dieses Prozedere fortzusetzen und mit den italienischen Behörden in deren Versuch, Menschenschmuggel zu bekämpfen, zu kooperieren.
- Es versteht sich, dass der Verhaltenskodex keine Erwähnung eines Tragens irgendeiner Form einer Waffe enthält. Deshalb verpflichtet sich SEA-WATCH e. V. nicht, irgendwelche bewaffneten Personen an Bord ihres Schiffes zu empfangen, unbeschadet eines Mandats, das im Rahmen des nationalen Rechts oder des Völkerrechts ausgestellt werden könnte.
- Es versteht sich, dass sich SEA-WATCH e. V. erst nach der Präzisierung und der Aufnahme dieser niedergeschriebenen Zusätze in der Lage sieht, diesen Verhaltenskodex zu unterzeichnen.
Harald Höppner, SEA-WATCH e. V.