Zum internationalen Tag der Migrant*innen am 18.12. hat Hamsa* uns seine Fluchtgeschichte erzählt:
„Ich bin ein junger Mann aus Kobane, Syrien. Ich bin in einer Mittelklassefamilie aufgewachsen. Alles, was mein Vater wollte, war, dass ich meinen Traum wahrmachen kann, Richter zu werden, um die Unterdrückten zu verteidigen. Ich bin ein syrischer Kurde und Kurden wurden schon immer unterdrückt. Das war meine Motivation. Nach dem Abitur konnte ich mich an der Rechtsfakultät der Universität von Aleppo einschreiben. Doch der Krieg kam schnell, und er zerstörte meine Träume, Richter zu werden. Eines Tages wachte ich als Flüchtling ohne Zuhause auf. Ich wurde von islamistischen und extremistischen Gruppen bedroht, die meine kleine, wunderschöne Stadt überfielen und mich und meine Familie zwangen, unser Zuhause und unser Land zu verlassen. Damit begann eine miserable und schmerzhafte Fluchterfahrung. Ich verließ mein Land und erreichte in einer mondlosen Nacht in die Türkei, wo mein neues Leben als Vertriebener begann. In der Türkei werden wir Kurden unglaublich unterdrückt. Dort fand ich weder Sicherheit die Möglichkeit, meine Grundbedürfnisse zu decken, es gibt keine Unterstützung. Unterwegs traf ich eine Frau, die aus derselben Stadt stammt. Zusammen beschlossen wir, uns unserem Schicksal zu stellen, dem Schicksal, das wir teilten, das uns unser kriegszerrüttetes Land verlassen ließ. Wir haben uns entschieden, die gefährliche Überfahrt mit einem Boot zu wagen, um endlich Sicherheit zu finden, einen neuen Anfang, gemeinsam dieses Mal. In der türkischen Stadt Bodrum zahlten wir Geld an eine Gruppe von Männern, die uns versprachen, uns auf die Insel Kos zu bringen. Um 20 Uhr brachten uns diese Männer mit einer Gruppe von 27 Männern, Frauen und Kindern in ein felsiges Gebiet an der Küste. Wir waren schockiert, als wir das winzige Boot sahen, das uns in Sicherheit bringen sollte. Uns war klar, dass das eine Selbstmordmission war. Diese Männer hatten jedoch Waffen und zwangen alle, an Bord dieses winzigen Bootes zu springen. Nach diesem Horror traten wir die schreckliche Reise an in unseren unvermeidlichen Tod. Schon nach einer Stunde hörte der Motor auf zu arbeiten. Alle gerieten in Panik, während wir auf einem Boot in der Mitte von Nirgendwo verloren waren, umgeben von Wasser und ohne ein Zeichen menschlichen Lebens in Sichtweite. Wir akzeptierten die Realität, wir würden sterben. Bis eine Gruppe von Freiwilligen an Bord eines Schiffes namens Sea-Watch zur Rettung kam. Wir dachten, sie müssten Engel sein, die auf unsere Gebete und Schreie antworteten. Sie haben unser Leben gerettet. Nicht nur unsere. Sie haben Tausenden von Menschen, die vor grässlichen Kriegen fliehen, das Leben gerettet. Mit Hilfe von Sea-Watch haben wir es schließlich auf die griechische Insel Kos geschafft, wo wir von der griechischen Küstenwache in Empfang genommen wurden. Als ich auf meine Uhr sah, war es fünf Uhr morgens.“
Die Crew der Sea-Watch 1 ist mit einigen der Geretteten in Kontakt geblieben. Hamsa heißt eigentlich anders. Weil er und seine Frau noch im Asylverfahren sind, müssen ihre Namen anonym bleiben. Der letzte Satz seines arabischen Textes war: „ ….وقد كانت ليلة مرعبة تفقدة ساعتي كانت 5 صباحا وهناك بدأت الخفر اليوناني بتحقيق معنا وبقينا جالسين على رصيف ميناء حتى ساعة 8 صباحا كنت أظن أنها أصعب ليلة في حياتي ولكن كنت مخطئ – „Ich dachte, das wäre die schlimmste Nacht meines Lebens gewesen – aber ich irrte.“ Am internationalen Tag der Migrant*innen fordert Sea-Watch sichere und legale Einreisewege und einen menschlicheren Umgang mit all jenen, die nach der Flucht im Asylverfahren diskriminiert werden.
Übersetzung: Osama Abdullah, Cornelia Schmidt
Foto: Theresa Leisgang