https://youtu.be/mwk04x84lZs
Aktivisten und Hacker machen gemeinsame Sache bei der Rettung von Flüchtenden im Mittelmeer. Computergesteuerte und mit Kameras ausgestattete Modellflugzeuge sowie eine App sollen dabei helfen, Rettungseinsätze besser zu koordinieren und Flüchtende in Seenot schneller zu finden. Unterstützt wird SearchWing von Sea-Watch und dem Chaos Computer Club (CCC).
“Wenn wir sie nicht finden, sterben sie”, so lautet der schmerzliche Alltag der freiwilligen Helfer von Sea-Watch auf hoher See. Der gemeinnützige Verein betreibt mit Spendengeldern zwei Rettungsschiffe im Mittelmeer. Seit zwei Jahren rettet Sea-Watch Menschen, die auf der Flucht vor Krieg und Terror die immer noch lebensgefährliche Reise nach Europa wagen müssen.
“Das Einsatzgebiet im Mittelmeer ist sehr groß, unsere Sichtweite ist beschränkt – deshalb sind die kleinen Boote schwer zu finden”, so beschreibt Sea-Watch Sprecher Ruben Neugebauer die Problemlage. Hier können die Hacker aus dem CCC Berlin helfen. „Statt echter Flugzeuge mit menschlichen Piloten oder Pilotinnen schicken wir Modellflugzeuge mit Kameras, in denen ein Computer den Steuerknüppel bedient“, erklärt Club Mitglied ‚Steini‘. Außer der erheblich geringeren Kosten haben die kleinen Flugzeuge noch weitere Vorteile: „Sie fliegen umweltfreundlich elektrisch und können vom Schiff aus starten. Sie können sogar in einem aufgespannten Netz auf dem Schiff wieder landen, statt erst hunderte Kilometer vom nächsten Flugplatz bis zum Einsatzgebiet zu fliegen.“
Die Hacker beschäftigen sich seit über 15 Jahren mit den Gefahren und dem Nutzen von autonomen, computergesteuerten Systemen. „Die Rettung von Menschenleben ist eines der wenigen sinnvollen Einsatzgebiete für Drohnen, deshalb hilft die Hacking-Community hier gerne“, kommentierte Frank Rieger, einer der Sprecher des CCC. „Diese Technologie alleine dem Militär und den Spionen zu überlassen wäre ein Fehler.“
Mit ihrer technischen Fachkompetenz unterstützen die Tüftler die Arbeit von Sea-Watch und stellen alle Technologien der Allgemeinheit zur Verfügung – und dies ausschließlich für humanitäre Zwecke. Eine speziell dafür angepasste Nutzungslizenz verhindert, dass die Arbeit der Experten legal für kommerzielle oder gar militärische Zwecke eingesetzt werden kann.
Bis März soll ein erstes Fluggerät für einen Test vor Ort einsatzbereit sein. Bis dahin sind noch einige Probleme zu lösen: Die ‚low cost‘ Funkverbindung ist für ‘Steini’ noch eine interessante Herausforderung, genauso wie die automatische Landung im Netz eines schwankenden Schiffes. Auch die Reichweite von derzeit etwa 100km soll noch verdoppelt werden. So hat das Team mehrere Meilensteine definiert, die im nächsten Jahr erreicht werden sollen.
Das wichtigste Ziel ist, das Gerät einsatzbereit zu bekommen und die Helfer von Sea-Watch und anderen zivilen Organisationen zu schulen. Dann soll eine automatische Bilderkennung folgen, um dem Bodenpersonal so viel Arbeit wie möglich abzunehmen. Später könnten weitere Sensoren hinzukommen, um die Zuverlässigkeit zu erhöhen. Das Fluggerät soll austauschbare Komponenten haben und für Laien leicht zu bedienen sein – damit stünde den NGOs eine ähnliche Technologie zur Verfügung, wie sie vom Militär bereits genutzt wird.
Neben der Luftaufklärung entwickelt Sea-Watch derzeit eine Software, mit der die zahlreichen zivilen Rettungsschiffe besser koordiniert werden können. Auch hier helfen die Hacker tatkräftig mit: „Durch die Luftaufklärung in Kombination mit einer Software, in die die Daten eingespeist werden können, erhalten wir in Zukunft hoffentlich ein genaues Lagebild der Situation im Einsatzgebiet. So können wir unsere Ressourcen effizienter einsetzen und mehr Leben retten“, sagt Nicolas Zemke, einer der Entwickler der Software. Auch sein Kollege Joshua Krüger, der dieses Jahr mit Zemke an einer Rettungsmission im zentralen Mittelmeer beteiligt war, ist dankbar für die Unterstützung aus dem CCC. „2016 war das tödlichste Jahr an Europas Außengrenzen – und die EU tut nichts, um das Sterben zu beenden. Daher wird auch 2017 weiter die Zivilgesellschaft einspringen müssen, wo Staaten versagen. Kooperationen wie die im SearchWing Projekt machen uns dabei in Zukunft noch effektiver“, freut sich Krüger.
Für Rückfragen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung:
SearchWing – www.searchwing.org
– Ruben Neugebauer, ruben@sea-watch.org, +4915773689421
– Steini, steini@searchwing.org, +49 1772155043
– Benthor, benthor@searchwing.org
Bildmaterial aus den Rettungseinsätzen der Sea-Watch finden sie hier: https://www.dropbox.com/sh/6j97w599rod8we0/AAAvydqV2abNyorDmC008VT4a?dl=0