Sea-Watch zur aktuellen Berichterstattung
Sea-Watch verurteilt die verzerrte und voreingenommene Berichterstattung darüber, dass sich im Juni dieses Jahres unter den von der Sea-Watch 3 geretteten Personen ebenfalls drei mutmaßliche Täter befunden haben sollen, die inzwischen in Italien wegen Verbrechen gegen andere Migrant*innen verhaftet worden sind. Sea-Watch erfüllt seine Pflicht, Menschen aus Seenot zu retten, auf der Grundlage eines humanitären Gebots und unter diskriminierungsfreier Einhaltung der internationalen Menschenrechtsgrundsätze. Jeder auf See in eine Notlage geratene gilt als Schiffbrüchiger und hat ein Recht auf Rettung. Diesem Recht steht die Pflicht zur Seenotrettung von Kapitän*innen der Sea-Watch 3 sowie jedes anderen Schiffes gegenüber. Die Identifizierung geretteter Personen liegt jedoch in der Verantwortung der Behörden, an die wir diese verweisen und nach der Anlandung übergeben. Dieses Vorgehen führt den Vorwurf ad absurdum, Sea-Watch würde die illegale Einreise von Ausländern in europäisches Staatsgebiet fördern.
Der Rahmen unserer humanitären Operationen wird immer enger, weil europäische Behörden Richtlinien und Praktiken verfolgen, die sowohl den Zugang notleidender Menschen zu Hilfe erschweren, als auch den systematischen Missbrauch wie Menschenhandel, Schmuggel und grobe Menschenrechtsverletzungen erst begünstigen. Die Opfer dieses Systems sind genau jene Migrant*innen, die politische Propaganda erneut in die Hände der Folterer in Libyen zwingt, nachdem sie auf See abgefangen wurden, oder sie wochenlang vor europäischen Häfen festsetzt. Die Verbrechen in Libyen aber lösen offenbar nur dann Empörung aus, wenn eine NGO in eine Rettungsaktion involviert war, durch die möglicherweise auch Täter auf europäischem Boden angekommen sind. Dieselben Menschenrechtsverletzungen sind jedoch kaum der Rede wert, solange sie Menschen im Sinne der EU-Mitgliedstaaten in Libyen in einem Umfeld völliger Straflosigkeit gefangen halten, wo sie systematisch Folter und Missbrauch ausgesetzt sind.
Dass nun erstmalig eine Untersuchung wegen Folter eingeleitet wurde kann dazu beitragen, Licht in die dramatische humanitäre Situation in Libyen zu bringen. Sie kann ein wesentlicher Schritt in Richtung eines Mechanismus sein, in dem Opfern Gerechtigkeit widerfährt, Täter für ihr Handeln zur Rechenschaft gezogen werden, und die Öffentlichkeit versteht, wie schwerwiegend die Menschenrechtsverletzungen sind, die vor unseren Küsten stattfinden. Wir hoffen, dass dieser Fall Aufschluss über das System des Missbrauchs geben kann – durch ein faires Verfahren innerhalb der italienischen Justiz, im Gegensatz zu einem ’schwarzen Loch‘ der Straffreiheit in Libyen, das nicht nur weithin akzeptiert, sondern durch EU-Politik ermöglicht wird.
„Wir sind froh über jeden einzelnen Menschen den wir einem Schicksal zwischen dem Tod auf See und den Folterknästen Libyens entreißen konnten. Wir sind froh, dass die Überlebenden dieser Lager nun auf sicherem Grund und Boden sind und wir sind ebenso froh, wenn eventuelle Täter auf demselben Boden ein rechtstaatliches Verfahren bekommen und keinen Schaden mehr anrichten können. Wo dabei unser Fehler liegen soll erschließt sich uns nicht,“ sagte Chris Grodotzki, Sprecher von Sea-Watch.