Die Staatsanwaltschaft Hamburg hat das Verfahren gegen Mitglieder der Libyschen Küstenwache wegen des folgenschweren Angriffs auf einen Sea-Watch Rettungseinsatz am 21.10.2016 eingestellt. Begründet wird die Einstellung damit, dass trotz der potentiell strafbaren Handlung, die Identität der Täter nicht festgestellt werden konnte. Die Bundesregierung konnte hier keine weiteren Erkenntnisse beitragen, obwohl die Bundeswehr an der Ausbildung der Libyschen Küstenwache beteiligt ist und somit Ermittlungen im Kreis der potentiellen Täter möglich gewesen wären. Auch vor dem Hintergrund der Beschlüsse von Malta befürchtet Sea-Watch, dass diese Entscheidung ähnliche Taten begünstigen könnte.
“Dass trotz schwerwiegender Straftaten mit Todesfolge hier noch nicht einmal ernsthaft ermittelt wird, könnte für Flüchtende, Migranten und zivile Retter lebensgefährliche Konsequenzen haben” sagt Axel Grafmanns, Geschäftsführer bei Sea-Watch. “Wenn Verbrechen wie der Angriff auf unseren Rettungseinsatz vom 21.10.2016 ungesühnt bleiben, ist das ein fatales Zeichen und könnte von den Tätern als Freibrief für künftige Taten angesehen werden – insbesondere nach den jüngsten Beschlüssen der EU-Staatschefs in Malta.”
Eines Angriffs auf den Seeverkehr nach §316c StGB macht sich schuldig “wer Gewalt anwendet oder die Entschlussfreiheit einer Person angreift […] um dadurch die Herrschaft über ein […] im zivilen Seeverkehr eingesetztes Schiff zu erlangen oder auf dessen Führung einzuwirken.” Dass der Vorfall am 21.10.2016 diesen Tatbestand erfüllt, lässt die Staatsanwaltschaft dahingestellt.
“Durch die Beschlüsse von Malta wird die aus Milizen bestehende sogenannte Libysche Küstenwache regelrecht dazu angestachelt, schwere Straftaten zu begehen, denn nichts anderes sind aus unserer Sicht die Rückführungen, welche die EU in ihrem 10 Punkte Plan anvisiert. Dass dies schnell Menschenleben kosten kann, zeigt der Angriff auf unseren Rettungseinsatz. Die Bundesregierung handelt hier völlig unverantwortlich und bringt durch ihre Untätigkeit auf der einen und ihre fatalen Beschlüsse auf der anderen Seite Flüchtende, Migrant*innen und zivile Retter ernsthaft in Gefahr,” so Grafmanns.
Das Auswärtige Amt teilt auf Nachfrage mit, “dass in Libyen derzeit kein funktionierendes Justizwesen existiert.” In der Begründung zu der Einstellung heisst es: ”In der aktuellen sehr komplexen politischen Lage in dem Land, insbesondere aufgrund des fehlenden staatlichen Gewaltmonopols bei gleichzeitiger Ausübung faktischer Macht durch verschiedenste Milizen, bewertet das Auswärtige Amt ein justizielles Rechtshilfeersuchen an die libyschen Strafverfolgungsbehörden als sehr wenig aussichtsreich.”
Die Bundesregierung hätte jedoch Möglichkeiten Ermittlungen voranzutreiben, da die sogenannte Libysche Küstenwache, welche für den Übergriff am 21.10.2016 verantwortlich ist durch eine Militärmission unter Deutscher Beteiligung ausgebildet wird, darunter möglicherweise sogar die Täter vom 21.10.2016, zumindest wäre es möglich im Kreise der Auszubildenden Informationen über die Identität der Täter zu erlangen. “Die Bundesregierung und die Staatsanwaltschaft Hamburg scheinen nicht an einer Aufklärung des Vorfalls interessiert zu sein und haben diese Möglichkeit bisher nicht wahrgenommen, wir werden deshalb Beschwerde gegen die Einstellung des Verfahrens einlegen.” sagt Grafmanns. “In einem Bürgerkriegsland eine Exekutive auszurüsten, wo weder Legislative noch Judikative in ernst zu nehmender Form vorhanden sind halte ich ohnehin für Fragwürdig. Im Klartext heißt das, dass die Bundesregierung entsprechend der Beschlüsse von Malta, eine völlig unkontrollierbare zusammengewürfelte Truppe ausbildet und ausrüstet, obwohl eine Verfolgung von durch die selbige verübte Straftaten als nicht aussichtsreich angesehen wird,” so Grafmanns.
Für Fragen, Hintergrundinformationen und Interviews stehen Ihnen unsere Sprecher*innen Theresa Leisgang und Ruben Neugebauer gerne zur Verfügung: presse@sea-watch.org
Foto: © 2016 – Christian Ditsch