Am Samstag, den 21. April, rettete Sea-Watch ein Gummiboot 65 Seemeilen nördlich der libyschen Küste in einer schwierigen Rettungsaktion mit Momenten der Anpannung, als die Leute, die in das Gummiboot gepfercht waren, die libysche Küstenwache ankommen sahen, welche ihre Absicht ankündigte, sie nach Libyen zurückzubringen. Die Menschen begannen ins Wasser zu springen und riskierten dabei, zu sterben, nur um nicht nach Libyen zurückkehren zu müssen. Sea-Watch konnte sie retten und brachte 94 Menschen in Sicherheit, darunter 21 Frauen und 2 Neugeborene, ein kleines Mädchen erst 16 Tage alt.
Das medizinische Personal an Bord meldete einen allgemeinen Zustand der Entkräftung. Bei ihrer Rettung befanden sich die Menschen in einem offensichtlichen Zustand der Dehydrierung und Unterernährung, als Folgen langer und harter Zeiten der Gefangenschaft in Libyen.
Die gesammelten Zeugenaussagen berichten von mehrfachem Abfangen auf See, von Gewalt in Libyen und von Erfahrungen mit (teilweise auch sehr langen) Inhaftierungen.
Ein 25-jähriger Äthiopier berichtet, als politischer Gefangener aus seinem Land geflohen zu sein und 10 Monate mit etwa 500 Menschen im Gefängnis von Beni Walid verbracht zu haben, wo er 82 Menschen sterben sah. Einen nach dem anderen.
„Wir wurden gezwungen, Massengräber in der Wüste zu graben, um die Leichen der Menschen zu begraben, die allmählich starben“. „Bis sich mindestens 3 Leichen in dem Raum befanden, in dem wir zusammengepfercht waren, wurden die Leichen nicht bewegt.“
Er erzählt uns von tatsächlichen Sklavenmärkten, ganz spezifischen Orten, an denen Menschen in Gruppen von 10-40 Personen nach ihrer Nationalität eingeteilt und für 200-800 libysche Dinar verkauft werden. „Sie verkaufen uns wie Ziegen.“
Der Verkauf findet statt, um Menschen, insbesondere Bürger*innen aus Subsahara-Afrika, der Zwangsarbeit zuzuführen und/oder Geld von ihnen zu erpressen, indem man sie unter Druck setzt, sie unter Folter zwingt, ihre Familien anzurufen und um mehr Geld für ihre Freilassung zu bitten.
Der Äthiopier erzählt, er habe dreimal versucht, auf dem Seeweg aus Libyen zu fliehen.
„Dies zeigt, wie auch aufgrund die europäische Politik der Abschottung und Push Backs von Flüchtenden auf der libyschen Route den Kreislauf von Missbrauch und Gewalt gegen die Menschen eskalieren lässt, die versuchen, aus Libyen zu fliehen, in dem der Menschenhandel die Form eines echten Sklavenmarktes angenommen zu haben scheint“, kommentiert Giorgia Linardi, Sprecherin von Sea-Watch in Italien.
Sie fügt hinzu: „Ein Mensch versucht zu fliehen, wird auf See abgefangen, gewaltsam zurückgeschickt, eingesperrt, gefoltert, immer wieder erpresst, bis er den verheerenden physischen und psychischen Auswirkungen dieser Erfahrungen erliegt. Oder, wenn er oder sie Glück hat und es schafft, den Maschen des von Europa eingerichteten Abschottungs- und Abweisungssystems zu entkommen, werden sie von einer europäischen Organisation auf See gerettet und an einen sicheren Ort gebracht.“