Felix ist seit 2017 bei Sea-Watch dabei. Als Teil des Airborne-Teams trägt er dazu bei, dass Menschenrechtsverletzungen im zentralen Mittelmeer nicht unentdeckt bleiben.
Seit wann bist du bei Sea-Watch und was genau ist deine Aufgabe?
Felix: Ich bin seit 2017 bei Sea-Watch. Damals habe ich auf Malta angefangen, die Logistik für unsere Crews zu übernehmen. Das heißt, ich habe die An- und Abreise der Crew-Mitglieder organisiert, mich um das Crewhaus gekümmert und die Lieferungen für das Schiff betreut. Dort habe ich auch das Airborne Team kennengelernt, die für die Flugzeugmissionen von Sea-Watch verantwortlich sind. Anfang 2018 bin ich dann fest im Team eingestiegen und seitdem zuständig für die Medien- und Pressearbeit unserer Luftaufklärung. Denn seit 2017 beobachtet Sea-Watch das Mittelmeer auch von oben, dokumentiert Menschenrechtsverletzungen und unterstützt die Schiffe regelmäßig bei Rettungen.
Warum bist du zu Sea-Watch gekommen?
Felix: Ich habe früher in Sachsen gewohnt und hautnah mitbekommen, wie rechte Tendenzen immer mehr Zulauf bekommen haben. Das war zu Hochzeiten von Pegida und da habe ich mich manchmal einfach ganz schön handlungsunfähig gefühlt. Die lokale Arbeit und Gegendemos sind zwar sehr wichtig, aber ich hatte auch manchmal das Gefühl, es reicht einfach nicht, um die Verhältnisse wirklich zu ändern. Das politische Klima wurde so sehr vergiftet, dass es die menschenverachtende Politik erst möglich und immer mehr legitimiert hat. In Berlin habe ich dann in der Nähe vom Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) gewohnt und direkt mitbekommen, wie Menschen von der Politik im Stich gelassen werden. Nur zivilgesellschaftliche Bündnisse haben geholfen, als Menschen wochenlang in der Kälte vor der Behörde auf einen Termin gewartet haben. Dort habe ich auch zum ersten Mal Leute von Sea-Watch getroffen und so führte Eins zum Anderen.
Was hat sich verändert seit du damals angefangen hast?
Felix: Bis 2018 sind die verschiedenen Seenotrettungsorganisationen sehr viele Einsätze gefahren. Teilweise lagen wir nur ein paar Tage im Hafen und sind sofort wieder aufgebrochen. Das hat sich 2018 geändert. Die Einfahrt in den Hafen wurde zivilen Schiffen immer wieder untersagt. Schutzsuchende Menschen mussten teilweise Wochen an Deck der Schiffe in Küstennähe ausharren. Seitdem werden unsere Schiffe fast jedes Mal nach dem Einlaufen mit absurden Begründungen von Behörden festgesetzt. So verbrauchen wir unglaublich viel Energie dafür, unsere Schiffe überhaupt erst wieder frei zu bekommen, ehe wir wieder auslaufen können. Und nicht nur die Schiffe, auch unsere Suchflugzeuge werden immer wieder am Abheben gehindert.
Die EU hat auf vielen Ebenen ihre Abschottungsmaßnahmen auf perfide Art und Weise professionalisiert. Zum Beispiel sind seit 2018 kaum noch Schiffe der europäischen Grenzschutzagentur Frontex im Mittelmeer unterwegs. Stattdessen wurde die Luftaufklärung massiv ausgebaut und so auch die Arbeit der sogenannten libyschen Küstenwache erst möglich gemacht. Wir sehen aus der Luft auch immer wieder, wie die Grenzschutzagentur in illegale Rückführungen nach Libyen involviert ist und in Zusammenarbeit mit der sogenannten libyschen Küstenwache Menschen ihr existentielles Recht auf Asyl raubt. Wir sind dieses Jahr bereits über 100 Einsätze geflogen und es ist schon jetzt klar: 2021 sind bereits mehr Menschen im Mittelmeer gestorben als im gesamten Jahr 2020. Die unzähligen Menschen, die in Libyen sterben, werden hier nicht mit eingerechnet. Die EU verfolgt eine Politik des Sterbenlassens und hat dabei ihre Menschenrechtsverletzungen an Akteure wie die sogenannte libysche Küstenwache auslagert. Der Ausbauder zivilen Seenotrettung und die zusätzliche Dokumentation von Menschenrechtsverletzungen aus der Luft durch unsere zwei Flugzeuge ist – wenn man so will – auch eine Reaktion auf die Professionalisierung der europäischen Abschottungspolitik und ein Zeichen, dass wir diese nicht einfach so hinnehmen.
Was müsste sich deiner Meinung nach ändern?
Felix: Die EU muss aufhören, all ihre Ressourcen in die Abschottung Europas zu stecken. Insbesondere Kooperationen, wie die mit der sogenannten Libyschen Küstenwache, bringen nur immer mehr menschliches Leid mit sich. Sie werden Menschen nicht daran hindern, aus Verhältnissen zu fliehen, die mit menschenwürdigem Leben unvereinbar sind. Sie werden so nur auf immer gefährlichere Fluchtrouten gezwungen!
Stattdessen muss die EU ihrer menschenrechtlichen Pflichten nachkommen und die selben Ressourcen in die Schaffung von legalen Fluchtwegen stecken. Wenn das nicht passiert, wird das Mittelmeer weiter eine der tödlichsten Fluchtrouten weltweit bleiben.
Solange eine Lösung gegen dieses Sterben in weiter Ferne bleibt, werden wir weiterhin vor Ort sein und der tödlichen Abschottungspolitik entgegentreten. Denn für uns sind und bleiben Menschenrechte unverhandelbar!