Sieben Tage nach der Rettung von 47 Schiffbrüchigen vor der libyschen Küste ist das letzte verbliebene Rettungsschiff im zentralen Mittelmeer nun vor der Küste Siziliens blockiert, trotz verschiedener Städte, die einen sicheren Hafen boten. Am Donnerstag hatte der Bürgermeister der italienischen Stadt Siracusa – Francesco Italia – in Zusammenarbeit mit der lokalen Zivilgesellschaft den Hafen der Stadt als offen erklärt und die zuständigen Behörden gebeten, den Eintritt der Sea-Watch 3 zu ermöglichen. Jedoch verbietet die Regierung – gegen deren Innenminister bereits wegen Entführung, Amtsmissbrauch und Verletzung der SAR-Konvention in einem ähnlichen Fall ermittelt wird – den Menschen derzeit, das Schiff zu verlassen.
Ohne einen sicheren Hafen für die erschöpften Schiffbrüchigen und in Erwartung eines Mittelmeersturms mit Wellen von mehr als 7 Metern, suchte Sea-Watch am Donnerstag Schutz im Osten der sizilianischen Küste, die nicht vom schlimmsten Teil des Sturms betroffen war.
Nachdem er eine Einladung des Bürgermeisters von Siracusa erhalten hatte, bat der Kapitän des Schiffes die Behörden um die Erlaubnis , den Hafen der Stadt zu betreten. Doch in der Nähe des Hafens erhielt Sea-Watch anstelle eines tatsächlich sicheren Hafens – der die Landung der Schiffsbrüchigen ermöglicht hätte – bloß einen Liegeplatz. Das Verbot, den Hafen anzulaufen, wurde ohne Begründung mitgeteilt.
Das Schiff steckt seither 1,4 Meilen entfernt vom Hafen von Siracusa vor Anker fest, ohne dass es den bedürftigen Menschen – die aus Libyen flohen und tagelang auf hoher See waren – angemessene Hilfe bieten kann.
Nachdem Stunden vergangen waren, ohne irgendeine Autorisierung zu erhalten, verfasste Sea-Watch einen Bericht an den Staatsanwalt in Catania. Der Staatsanwalt fordert die gesetzlich vorgeschriebene sofortige Ausschiffung der 13 Minderjährigen an Bord und betont, dass in diesem anhaltenden Zustand des Leidens ihre Rechte unterlaufen würden.
Auf der Sea-Watch gibt es jedoch neben Minderjährigen 34 weitere Personen mit langen willkürlichen Internierungszeiten in libyschen Gefängnissen, in denen sie täglich Folter, Missbrauch sowie körperliche und psychische Gewalt erlitten haben.
Nach sieben Tagen auf dem Schiff wäre die Landung bloß eines Teils der Schiffbrüchigen für die aus Zwang Zurückbleibenden traumatisch.
„Mein Vater starb an einem Herzinfarkt, als ich ein Kind war. Ich habe Guinea vor zwei Jahren verlassen, um meiner Familie zu helfen. In Libyen zwangen mich die Milizen, 12 Stunden am Tag ohne Unterbrechung zu arbeiten. Sie bedrohten mich, indem sie während der Arbeit Waffen auf mich richteten. Am Ende des Tages gaben sie mir oft nichts zu essen„, sagt A., 16, aus Guinea. „Sie haben einen meiner Freunde vor meinen Augen getötet. Er wurde getötet, weil er eines Morgens nicht mehr aufstehen konnte, um zur Arbeit zu gehen.“ – „In Libyen habe ich Yannik getroffen, mit mir an Bord, er ist mein „grand frère“.“ Sie kümmern sich umeinander, seit sie in Libyen waren, erklärt A.
Sea-Watch fordert ein Ende dieser Odyssee, unter der die 47 Menschen an Bord leiden. Menschen, deren physischer und psychischer Zustand auf dem Spiel steht und die sofort Hilfe benötigen. Deshalb fordern wir nachdrücklich die sofortige Anlandung aller schiffbrüchigen Menschen.
„Dies hätte ein strahlender Tag für die europäische Solidarität nach einer sehr dunklen Woche sein können. Mindestens 170 Menschen waren vermisst worden – nicht bestätigte Berichte aus Libyen sprechen von viel mehr. Weitere 250 wurden von der EU-finanzierten, so genannten libyschen Küstenwache und zwei Handelsschiffen, die gegen die Genfer Flüchtlingskonvention verstoßen, gewaltsam zurückgeschleppt„, sagt Johannes Bayer, Vorsitzender von Sea-Watch, über die Einladung nach Siracusa.
„Wir sind der Stadt Siracusa und ihren Bürgern für dieses große Zeichen der Solidarität dankbar. Unser Dank gilt auch Palermo, Neapel, Barcelona, Berlin und allen anderen Städten, die sich zu offenen Häfen und solidarischen Städten erklärt haben. Das ist das Europa, in dem wir leben wollen, ein Europa der Solidarität„, sagt Bayer. „Doch die Menschenrechte in Europa gelten heute offenbar nur noch für Menschen unter 18 Jahren“, sagt Johannes Bayer und verweist auf den Vorschlag, nur die 13 unbegleiteten Minderjährigen an Land zu lassen.