Reinigung der Ballasttanks – dafür gibt es nicht so viele Freiwillige
Jakob ist 32 Jahre alt, hat Schiffsbetriebstechnik studiert und fährt seit Jahren als Maschinist zur See. Seit 2016 ist er bei Sea-Watch aktiv. Zunächst half er als Freiwilliger bei Werftarbeiten, später brach er mit der Sea-Watch 2 zu Rettungsmissionen auf und heuerte 2017 schließlich auf der größeren Sea-Watch 3 als fester Maschinist an. Aktuell gehört Jakob zu unserer 22-köpfige Werft-Crew in Spanien.
Interview: David Schaack · Fotos: Lennart Diesen
Jakob, erklär uns bitte zum Einstieg, was Dich dazu bewegt hat, bei Sea-Watch aktiv zu werden.
Ich hatte die Geschehnisse mit überfüllten Schlauchbooten die von Libyen aus aufbrechen und in Seenot geraten schon länger medial verfolgt und immer für einen katastrophalen Zustand gehalten. Ich war begeistert von der Idee, dass es Leute gibt, die sich einfach ein Schiff kaufen, losfahren und Menschen retten. Ich hatte dann eine Weile im Kopf, mich da zu engagieren. Ich komme schließlich aus der Seefahrt und kann mein Know-how so für eine gute Sache einbringen. Irgendwann hat es sich ergeben, dass ich bei Sea-Watch mitmachen konnte und dass es jetzt schon so lange dauert, ist für mich selbst eine kleine Überraschung aber natürlich eine sehr gute Sache.
Erklär uns doch bitte, wie Deine Arbeit während einer Mission aussieht.
Wir haben auf See einen 24 Stunden besetzen Maschinenraum. Wir sind drei Maschinisten und arbeiten jeweils zwei Vier-Stunden-Schichten. „Auf Wache“ behält man den gesamten Maschinenbetrieb im Auge, kontrolliert Ölstände, Temperaturen, notiert Werte für Langzeitbeobachtungen – man muss Augen, Ohren und Nase offenhalten, um frühzeitig zu bemerken, wenn etwas nicht rund läuft! Außerdem ist es unsere Aufgabe, Kontakt zum Land zu halten und mitzuteilen, wieviel Treibstoff oder Frischwasser wir noch haben oder welche Ersatzteile möglicherweise schon bestellt werden müssen, wenn ein größerer Schaden aufgetreten ist. Treten kleinere Probleme auf, ist man im Zweifelsfall den Rest des Tages damit beschäftigt, entsprechende Reparaturen durchzuführen. Kleinigkeiten wie Leckagen gibt es bei einem Schiff wie der Sea-Watch 3, die über 40 Jahre alt ist, eigentlich täglich. Die Belastung für das Material ist auf See natürlich enorm.
Gibt es Momente von Deinen Sea-Watch-Missionen, die Dir besonders in Erinnerung geblieben sind?
Viele. Viele. Das Belastendste, was ich bisher erlebt hab, geschah im November. Wir haben einen 2-jährigen Jungen an Bord genommen, ich hab ihn selbst hochgehoben und dabei erst gar nicht gemerkt, dass es so schlecht um ihn steht. An Bord wurde zwei Stunden versucht, ihn wiederzubeleben, aber er hat es nicht geschafft. Das Kind lag dann noch drei Tage bei uns im Eisfach und ich musste da immer dran vorbeigehen. Das hat mich sehr lange beschäftigt. Es gibt aber auch viele positive Momente. Man kommt mit so vielen Menschen zusammen, die Lust haben, etwas zu schaffen, mit anzupacken – einen so geringen „Arschlochanteil“ wie hier findet man sonst nirgends! Das finde ich jedes Mal aufs Neue beeindruckend und es macht viel Spaß, mit den Crews zu arbeiten.
Die Sea-Watch 3 ist jetzt in der Werft, seit zwei Wochen im Trockendock. Was passiert da?
Zunächst wurde das ganze Unterwasserschiff mit Hochdruckreinigern gesäubert, jetzt steht ein neuer Anstrich an. Darüber hinaus ist ein Schiff dieser Größe üblicherweise ein sogenanntes Kauffahrteischiff, das sonst kommerziell betrieben wird. Solche Schiffe sind immer bei Klassifikationsgesellschaften gelistet. Die Klassifikation kann man sich wie die TÜV-Untersuchung eines Autos vorstellen. Es kommen im Rahmen der Klassifikation Gutachter an Bord, die bestimmte Dinge an Bord überprüfen, etwa die Ballasttanks. Nach dem Ablassen des Wassers müssen diese Tanks gereinigt werden. Das hat vier Leute für drei bis vier Tage beschäftigt. So ein Ballasttank ist eng, dunkel, er ist voller Matsch. Darin mit einem Hochdruckreiniger rumzukriechen gehört nicht unbedingt zu den beliebtesten Jobs hier. Dafür gibt es nicht so viele Freiwillige, deshalb war ich auch schon drin. Außerdem werden die Propeller abgenommen und viel Rost entfernt, der sich im Laufe eines Jahres angesammelt hat.
Und welche Arbeiten beeindrucken auch Nautiker*innen und Technikfreaks noch?
Die Messung der Außenwanddicke per Ultraschallsonde ist auf jeden Fall eine sehr interessante Sache. Dabei möchte man natürlich nicht zu dem Punkt kommen, wo man die Außenhaut aufmachen und den Stahl erneuern muss, denn das kostet sofort Zeit und viel Geld. Im Zuge der galvanischen Korrosion wandert die Masse vom edleren zum unedleren Metall. Das Schiff löst sich somit praktisch auf, wenn es im Wasser ist. Um das möglichst zu minimieren, gibt es sogenannte Opferanoden, das sind unterarmlange Zinkstücke, die außen an das Schiffs angeschweißt sind. Vereinfacht gesagt lösen sich diese Opferanoden anstelle des Schiffs auf. An der Sea-Watch 3 sind die Opferanoden jetzt auch komplett weg und müssen somit komplett erneuert werden.
Die Sea-Watch 3 ist noch bis Ende März 2018 in Spanien in der Werft. Danach bricht sie wieder zu Rettungsmissionen im südlichen Mittelmeer auf.