Ohne Logistiker Welf Seyer läuft bei Sea-Watch nichts
Ob man da wirklich was machen kann? Mit so einem kleinen Schiff? Ob das der richtige Weg ist? Welf Seyer war skeptisch, als er 2015 zum ersten Mal von Sea-Watch in der Zeitung las. Wenig später erfuhr er, dass das Projekt logistische und technische Unterstützung auf Lampedusa benötigte. Er nahm den Resturlaub seines Jobs im Offshore-Bereich eines großen Baukonzerns und machte sich auf den Weg. Er hatte seine Koffer für zwei Wochen gepackt. Letzten Endes blieb er für fast zwei Monate.
Seine anfängliche Skepsis wich schnell dem Tatendrang, nachdem er das erste Mal auf dem umgebauten Fischkutter Sea-Watch 1 mitgefahren war und mit eigenen Augen gesehen hatte, was auf dem Mittelmeer geschieht: „Man muss sich das mal vorstellen: Wir haben hier eine der größten humanitären Notlagen der Welt und gleichzeitig gibt es kaum Hilfsmaßnahmen.”
Als Logistikkoordinator war er bei Auslandseinsätzen großer Hilfsorganisationen in Haiti und Nepal dabei und kennt das Prozedere bei Katastrophenlagen von internationalem Ausmaß: „Da kommen Rettungs-Teams aus aller Welt. Auch, wenn es manchmal gar keinen Sinn macht. Hauptsache hin, Hauptsache dabei sein. Alle wollen mitmachen. Und hier passiert irgendwie gar nichts.“ Im Jahr 2015, als Sea-Watch die ersten Missionen fuhr, waren außer Ärzte ohne Grenzen keine anderen großen Hilfsorganisationen im Mittelmeer aktiv. Welf war darüber sehr verwundert, für ihn war klar: „Wenn irgendwo Hilfe benötigt wird, dann hier.“
Aus diesem Grund hat er mittlerweile sogar drei Jobs bei Sea-Watch. Einer davon ist die Projektleitung des Werftaufenthalts der Sea-Watch 2 in den Wintermonaten. Er erstellte in Absprache mit den Leuten an Bord einen ausführlichen Aufgabenkatalog der notwendigen Reparaturen, und suchte dann passende Leute, erfasste Kosten und traf Absprachen mit dem Verein. Außerdem ist Welf auch Bereichsleiter der Logistik und kümmert sich darum, dass alles, was für die Einsätze benötigt wird, seinen Weg nach Malta aufs Schiff findet.
Viel Arbeit kostet auch viel Kraft. “Die letzten Wochen des Umbaus waren schon sehr anstrengend”, erinnert sich Welf. Nun, da die Sea-Watch 2 nach ihrem ersten Einsatz im Jahr 2017 in den Hafen zurückgekehrt ist, kann Welf sich sicher sein, während dem Winterumbau gute Arbeit geleistet zu haben. Es ist auch sein Verdienst, dass die Sea-Watch 2 schon im ersten Einsatz 1.450 Schiffbrüchige versorgen konnte und die Crew an der Rettung von über 3.000 weiteren Menschenleben beteiligt war.
Ein Grund dabei zu bleiben ist für Welf das Team: „Wir sind echt Freunde geworden. Wenn das irgendwie alles nur anstrengend wäre, dann würde man schneller einen Abgang machen.“ Und: „Was bei Sea-Watch immer viel Spaß gemacht hat ist, dass ich so ziemlich alles anwenden kann, was ich jemals gelernt habe. Inhalte aus meiner Ausbildung als Industriemechatroniker konnte ich nutzen und aus dem Studium zum Rettungsingenieur auch vieles.“ Während der Einsätze auf hoher See hat sich Welf auch schon als Schnellbootfahrer verdient gemacht.
Welf wünscht sich, dass Sea-Watch seiner Botschaft, insbesondere der Forderung nach sicheren Einreisemöglichkeiten für Flüchtende, weiter treu bleibt. „Wir brauchen eine Safe Passage!“ An diesem Punkt sieht Welf auch die größte Stärke der NGO: „Es gibt inzwischen ja mehrere Organisationen, die so arbeiten wie wir, aber die Message von Sea-Watch ist am stärksten.“ Außerdem wünscht er Sea-Watch die Kraft, der Flut von Anschuldigungen und Seitenhieben von Politiker*innen und Populist*innen zu trotzen. „Es sollte ja eigentlich das Normalste der Welt sein, Menschen zu retten.”
Foto: Moritz Richter