Sea-Watch Mitbegründer Matthias Kuhnt bleibt bei seinem Kurs, dem politischen Gegenwind zum Trotz.
Matthias Kuhnt fühlt sich an Land wohler als auf dem Schiff. Es sind andere, die der Presse von Rettungsmissionen bei starkem Wellengang erzählen. Matthias ist nicht das Gesicht von Sea-Watch. Aber ohne ihn wären im letzten Jahr 20.000 Menschen nicht vor dem Ertrinken gerettet worden. Er war es, der sich 2014 zusammen mit seinem Geschäftspartner Harald Höppner sagte: Wir können der Tragödie im Mittelmeer nicht weiter tatenlos zusehen. Also suchten sie kurzerhand eine Lösung für dieses Problem, um das sich die Regierungen nicht zu kümmern schienen.
„Ick sag mal, Ideen hat man viele, wenn der Tag lang ist“, schmunzelt der Brandenburger. Sobald Harald und Matthias aus eigener Tasche tatsächlich ein Schiff gekauft hatten, wurde selbst den skeptischsten Freunden klar: Die meinen es ernst. Das große Interesse der Medien habe ihm „unglaublich Energie gegeben“, erinnert sich Matthias heute, zweieinhalb Jahre später. Der schwierigste Schritt sei es gewesen, den uralten Fischkutter einsatzfertig zu bekommen. Eine ordentliche Portion Glück gehörte zum Gelingen des Projekts dazu, Matthias drückt das so aus: „Es hat uns zur richtigen Zeit die richtigen Leute an Bord gespült.“
„Bürger können wieder politisch etwas bewegen“
Je näher der erste Einsatz der ‚Sea-Watch 1‘ im Mittelmeer rückte, desto mehr Arbeit gab es für die Crew. „Es taucht bei jedem Schritt ein Kosmos von neuen Fragen auf“, beschreibt der 44-Jährige die Entwicklung der ersten Idee zum gemeinnützigen Verein. Während sich die Kapitäne um Probleme mit der Funkverbindung bemühten, verbrachte Matthias immer mehr Zeit vor dem Computer: Täglich flatterten hunderte Mails ins Info-Postfach und Berge von Abrechnungen warteten darauf, bearbeitet zu werden. Für den selbständigen Geschäftsmann ist es inzwischen Normalität, bis zu 30 Stunden pro Woche Vereinsangelegenheiten zu regeln.
Was ihn motiviert, immer weiter zu machen? „Ich habe seit langer Zeit wieder das Gefühl, dass man wirklich etwas bewegen kann als Bürger.“ In seiner Weihnachtsmail schrieb er seinen inzwischen 120 Mitstreiter*innen: „Ich bin stolz auf Euch, auf uns, auf das, was wir gemeinsam geschafft haben und unglaublich dankbar, seit nun mehr als zwei Jahren Teil dieses zutiefst menschlichen Projekts zu sein.“
Matthias größter Wunsch für 2017 ist, dass durch die Arbeit von Sea-Watch weiterhin die Problemlage im Mittelmeer sichtbar wird, auch in Berlin und Brüssel. „Wir dürfen den Fokus nicht verlieren!“
Foto: © 2017 Lisa Hoffmann