Heute hat unsere Crew unsere Gäste in Messina an die Kolleg*innen vom italienischen Roten Kreuz übergeben. Auch dieses Mal waren viele unter ihnen schon monatelang auf der Flucht aus ihren Heimatländern und mussten einen Großteil dieser Zeit im Bürgerkriegsland Libyen verbringen.
Einige erzählten auf der Fahrt ihre Fluchtgeschichten, die das widerspiegeln, was schon seit längerem durch NGOs und Journalist*innen aus Libyen berichtet wird: Flüchtende Menschen aus dem globalen Süden werden von Milizenbanden willkürlich festgenommen, anschließend werden Lösegelder oder Sklavenarbeit von ihnen eingefordert. In den überfüllten Gefängnissen herrschen menschenunwürdige Zustände durch Folter und Unterdrückung, außerdem werden die Menschen nur sporadisch mit Nahrung versorgt. Die Frauen werden dort vergewaltigt und erleiden schwere Traumata. Sobald die Menschen die Chance haben, aus dieser Situation zu fliehen, werden sie diese nutzen, wissentlich, dass sie auf dem Mittelmeer bei der Überfahrt ertrinken könnten. Doch der Wille, der Tortur in Libyen irgendwie zu entkommen, ist größer als die Angst vor dem Tod auf dem Meer. Wenn diese Menschen nach all ihrem Leiden bei uns an Bord kommen, sind wir mindestens noch ein bis zwei Tage mit ihnen unterwegs, bis wir sie an einem sicheren Ort von Bord gehen lassen. In dieser Zeit realisieren sie, dass ihr langer Leidensweg bald vorüber sein wird, und bei uns auf dem Schiff haben sie erstmalig wieder ein Gefühl der Sicherheit. Sobald wir mit ihnen dann in die Häfen einlaufen wird ihnen klar, dass ihre Flucht bald vorbei ist. In diesen Momenten verlieren die Menschen ihre Anspannung und Glücksmomente kommen auf, die für sie wie für unser Team bewegende Momente sind.
[arve url=“https://www.facebook.com/seawatchprojekt/videos/1979641085587296/“ align=“right“ thumbnail=“20236″ title=“Für unsere jüngsten Gäste haben wir eine provisorische Spielecke aufgebaut.“ maxwidth=“360″ aspect_ratio=“16:9″ /]
Für uns heißt es heute zum vorerst letzten Mal Lebewohl zu sagen und unseren Gästen zu wünschen, dass sie in Zukunft, trotz der einwanderungskritischen Politik und dem Rechtsruck vieler Gesellschaften in Europa, hier ein Leben in Menschenwürde führen können. Nach unserer jetzigen Mission wird die Sea Watch 3 zur Überholung in die Werft nach Spanien fahren, aber davor nehmen wir nochmal Kurs auf unseren Heimathafen in Valletta, um dort nach drei Wochen von Bord zu gehen. Wir hoffen, dass in der Zwischenzeit unsere Kolleg*innen den Menschen auf dem Mittelmeer helfen können, und verabschieden uns mit solidarischen Grüßen bis zum April.
Fotos / Videos: Marcus Wiechmann